Essen. MTV – die drei Buchstaben stehen für Music Television. Als der Sender 1981 gegründet wurde, bedeutete dies für die Fernsehlandschaft eine Revolution. Die angesagtesten Clips wurden rauf und runter gespielt. Heute sieht das jedoch anders aus.

Wer heutzutage jedoch MTV über Satellit oder Antenne empfängt, der wartet lange auf Musikvideos. Auf Music Television werden mittlerweile vornehmlich Serien, Cartoons und Dating-Shows ausgestrahlt. Über den Richtungswechsel sprach die WAZ mit MTV-Programmchef Elmar Giglinger.

„Popkultur ist nicht statisch, die Zielgruppe von heute hat andere Bedürfnisse als die von 1981”, sagt Giglinger. Ausschließlich aneinander gereihte Musikvideos abzuspulen, das sei auf Dauer langweilig geworden. Vielmehr setze der Sender seit den 90er-Jahren vermehrt auf Shows. „Manche mögen das, manche mögen das nicht”, gibt Giglinger zu.

Unter dem Strich überwiege die Zustimmung. Dies zeigten die Zuschauerzahlen: Allein seit 2004 habe MTV seine Marktanteile um knapp 30 Prozent steigern können. 2007 habe man in Deutschland die höchsten Marktanteile seit Bestehen gehabt. „Und im laufenden Jahr konnten wir bislang nochmals zweistellig zulegen.” Wie hoch der Musikanteil bei MTV in Zukunft sein wird, das entscheide vor allem der Konsument. Angesichts der Marktanteilsentwicklung scheine die aktuelle Mischung jedoch die Richtige zu sein.

„Die Zuschauer”, sagt Giglinger, „wollen neben Clips eben auch Non-Musik-Formate sehen.” Und mit denen geizte MTV in den vergangenen Jahren nicht: Mit „Beavis und Butthead” und der Reality-Serie „The Osbournes” rund um Black-Sabbath-Sänger Ozzy Osbourne schlug der Kanal neue Wege ein.

Heute kommen laut Giglinger vor allem Cartoons wie „South Park” oder Reality-Shows wie „A Shot at Love with Tila Tequila” bei den Zuschauern gut an und erzielten Quoten deutlich über dem Senderschnitt. Bei letzterem Format handelt es sich um eine Kuppelshow, in der die bisexuelle Tila Tequila die Hauptrolle spielt. Jungs und Mädels treten gegeneinander an und kämpfen um die Gunst des Internetstars – und dabei wird heftigst geknutscht, gefummelt und gepaart.

Recht unterhaltsam dagegen sind Dating-Shows wie „Parental Control” oder „Exposed”. Bei Ersterem versuchen Elternpaare etwa, den Freund ihrer Tochter zu vertreiben. Um das zu erreichen, verschaffen sie ihrem Kind zwei Dates. Nach diesen muss sich die Glückliche nicht nur zwischen den zwei neuen Bekanntschaften, sondern auch zwischen einem von ihnen und ihrem aktuellen Freund entscheiden. Bei „Exposed” werben etwa zwei Kerle um das Herz eines Mädchens und müssen sich einem Verhör stellen. Was sie nicht wissen: Ihre Stimme wird von einem Lügendetektor analysiert, auch die kleinste Lüge aufgedeckt.

Nicht skurril genug? Abwarten, es gibt noch weitere Beispiele.

Bei der Auto-Aufmotz-Doku „Pimp my ride” können sich die Besitzer von in naher Zukunft auseinanderfallenden Schrottkarren bei MTV bewerben. Wird ihr Flehen erhört, klopft Rapstar Xzibit an der Haustür, holt die Rostlauben ab und lässt sie in der Werkstatt zu atemberaubenden High-Tech-Fahrzeugen tunen.

Samstags serviert der „Musiksender” bereits zur Mittagszeit reichlich nackte Haut, wenn sich die makellosen Darsteller aus den Serien „Laguna Beach” und „Newport Harbour” an kalifornischen Stränden sonnen oder im Whirlpool Bekanntschaft mit dem anderen Geschlecht machen. Beide Produktionen haben die US-Serie „O.C., California” (läuft auf ProSieben) zum Vorbild. Sie werden ebenfalls im Orange County (O.C.) gedreht – und sollen nicht nachgestellt sein, sondern das echte Leben der Bewohner Newports zeigen.

Dating-Shows, Auto-Dokus und Leben-unter-der-Sonne-Serien: Für Musikclips bleibt wahrlich nicht viel Sendezeit. Dennoch habe sich MTV nicht komplett von seinen Wurzeln entfernt, sagt Giglinger: Für Nonstop-Musik sorgten sieben Digitalkanäle, die über Kabel empfangen werden. Einer dieser Sender heißt übrigens MTV Music – also „Music Television Music”.

Diskussion zum Thema: Wie finden Sie die heutige Mischung auf MTV?