Was auf dem Comic Salon wartet, haben wir uns schon angeschaut - außerdem redeten wir mit dem Comic-Künstler Hendrik Dorgathen und dem renommierten Autor Alan Moore

Foto: Michael Kerstgens
Foto: Michael Kerstgens © Dorgathen

Als Godzilla grollend um die Ecke biegt, macht sich ein Lächeln breit: Hendrik Dorgathen hält gerade das erste Exemplar von "Slow" in Händen, seines ersten richtigen Comicalbums seit 15 Jahren. Roter Zug kämpft sich durch düstere Schlucht, die Farben strahlen, seine Augen auch: "Zum ersten Mal sieht ein Druck genau so aus, wie er sollte." Ein großer Moment, denn Dorgathen ist nicht ganz anspruchslos, Professor an der Kunsthochschule Kassel, bedacht mit den höchsten deutschen Comic-Ehren. Ein Atelierbesuch in Mülheim, bei einem der renommiertesten Zeichner der Republik.

Es scheint eine Ewigkeit her, seit Dorgathen seinen "Space Dog" ins Weltall schoss. 1993 hatte Deutschland zwar längst den Status des Comic-Entwicklungslandes hinter sich gelassen, vom heutigen Artenreichtum war es jedoch so weit entfernt wie der Space Dog vom Andromedanebel. "Früher habe ich auf dem Comic Salon in Erlangen vielleicht eine außergewöhnliche Veröffentlichung gefunden. Heute wüsste ich nicht mehr, wie ich sie alle mitschleppen sollte", sagt Dorgathen und zieht an seiner Zigarette. Lange her ist diese Ära der Gurkennasen, das grafische Niveau der Comics aus Deutschland hat riesige Schritte nach vorn gemacht, nicht nur dank Dorgathen, der als einer der ersten Deutschen eine eigene, grafisch geprägte Bildsprache ins Genre eingeführt hat, der seine Comics designte. Und dem der Comic Salon in Erlangen seine erste große Werkschau ("Comicoides") widmet, auch mit Illustrationen und Objekten.

Eine Gelegenheit, den Mann kennen zu lernen, der Comic-Kunst auch lehrt. Dorgathens Klasse in Kassel gilt als Talentgrube. Schüler wie Nic Klein stehen selbst auf dem Sprung an die internationale Spitze. "Viele meiner Schüler können besser zeichnen als ich selbst", sagt Dorgathen - und mit diesem Satz heischt er nicht nach Komplimenten, denn er fügt hinzu: "Entscheidend ist, dass sie Autoren sind." Deshalb lautet die erste Bewährungsprobe, die er seinen Schülern stellt, eine wahre Geschichte zu erzählen. Wer über die eigene Persönlichkeit zu berichten vermag, hat den ersten Schritt geschafft.

Hinzu kommt der Wille zu harter Arbeit: "Es erfordert eine unmenschliche Disziplin, in dieser vertrackten Form flüssig eine Geschichte zu erzählen." Er selbst hat es in den Jahren nach "Space Dog" nur selten getan, machte Illustrationen, Buchcover, arbeitete für die Expo 2000, wirkte am Setdesign etwa für Wes Andersons Film "Die Tiefseetaucher" mit. "Slow" ist eine 96-seitige Sammlung von Geschichten und Zeichnungen, von denen einige aus den 90ern stammen.

Neueren Datums ist die exzellente Geschichte "Der Stahlgolem", die davon erzählt, wie das Ruhrgebiet durch den Bau gesichtsloser Einkaufszentren sein industrielles Herz verliert - und wie unter der Oberfläche ein Golem aus Stahl schlummert, der zurück schlägt. Die Fantasie eines Ruhr-Nostalgikers?

"Die Welt meiner Kindheit verschwindet. Hier im Ruhrgebiet verfallen wir einer Geschichtslosigkeit. Komm mal mit", sagt Dorgathen, legt die Zigaretten beiseite und führt mich heraus. "Schau mal in diese Richtung." Er zeigt mit dem Finger auf die triste Seitenwand eines Hauses. "Und jetzt schau Dir mal dieses Bild aus ,Slow' an." Eine Bretterbude, ein wilder Garten, ein Junge in Cowboykostüm. Daneben die Worte "Es war das Paradies". "Das", sagt er, "das war hier früher zu sehen."

Abgesehen von der Liebe zur Region leistet sich Dorgathen nicht viele Sentimentalitäten. Vermeintliche Trends der letzten Jahre entlarvt er in einem Nebensatz, etwa ",Graphic Novel' ist doch nur ein Marketing Begriff. Es gibt gute Sachen und es gibt weniger gute", oder "Comic-Biografien sind für die Verlage leicht zu verkaufen". Auch die Konkurrenz des Comic-Godzilla aus dem Fernen Osten fürchtet er nicht: "Der Manga-Markt ist bei uns fest in Teenager-Hand. Ich glaube, dass wir von dem, was da drüben wirklich groß in der Off-Szene ist, sehr wenig zu sehen kriegen."

"Slow", H. Dorgathen, Edition Moderne, 96 S., 29,80 E "Comicoides", Städt. Galerie Erlangen, bis 10. Juni