Im Essener Autokino stieg die Premiere von Sönke Wortmanns neuem Film „Hardcover”.
Essen. Geklatscht hat diesmal niemand für Produzent Sönke Wortmann. Stehende Ovationen gab es ebenfalls nicht. Alle Zuschauer saßen brav in ihren Sitzen – allerdings in ihren Autositzen, denn die Kinopremiere des neuen Films „Hardcover” stieg am Dienstag an einem Ort der recht extravaganten Klasse: im Essener Autokino. Ein lautes minutenlanges Hupkonzert ersetzte den klassischen Applaus. Der Produzent, sein Regisseur sowie die Hauptdarsteller sonnten sich im Schweinwerferlicht, das an diesem Abend von den mehr als 500 Fahrzeugen kam.
„Eine Filmpremiere im Autokino, das hab ich noch nicht erlebt”, sagt Sönke Wortmann und findet die Idee „echt klasse”. Auch für Regisseur Christian Zübert war die Veranstaltung eine Premiere im doppelten Sinne: „Ich kenne Autokinos nur so aus amerikanischen High-School-Filmen”, sagt der 34-Jährige, der auch „Lammbock” gedreht hat, und fügt hinzu: „Aber ich habe meine viermonatige Tochter mit im Auto. Ich werde also nicht mit meiner Frau knutschen können.”
Dienstagabend, 19 Uhr: Die rund 1200 Zuschauer werden zwei Stunden vor Filmbeginn auf das Gelände in Essen-Bergeborbeck gelassen. Bei Temperaturen, die dem Gefrierpunkt äußerst nahe kommen, wärmen sie sich in der Snackbar mit Pommes Frites, Hamburgern, Hot Dogs und Martin Semmelrogge auf. Der Kult-Mime hat in „Hardcover” eine kleinere Gastrolle und nimmt zahlreiche Fans für ein gemeinsames Foto in die Arme. Der 52-Jährige ist einer der ersten Promis, die sich am Premierenabend im Autokino einfinden – so ist ihm denn auch die ungeteilte Aufmerksamkeit der zahlreichen Fernsehteams und Fotografen gewiss: „Martin, bitte in meine Linse lächeln”; „Martin, nimm mal bitte deine Kappe ab”; „Martin, nimm mal die hübsche Blondine in den Arm”.
Wesentlich gesitteter geht es dann auf dem roten Teppich zu. Dieser ist übrigens orange und keine zehn Meter lang – macht aber nichts, es passen trotzdem alle Stars an diesem Abend drauf, denn ihre Zahl hält sich in Grenzen. In Jeeps fahren die Hauptdarsteller Lucas Gregorowicz und Wotan Wilke Möhring vor – und sehen sich beim Aussteigen einer ehrfürchtigen Stille ausgesetzt. Keine kreischenden Fans, kein Blitzlichtgewitter, keine Autogrammwünsche.
Lauter geht es dann jedoch bei der Ankunft von Regisseur Christian Zübert zu, was eindeutig daran liegen muss, dass er Arm in Arm mit Produzent Sönke Wortmann über den roten – pardon, orangen – Teppich defiliert. Und selbst der 48-jährige Macher von „Das Wunder von Bern” und „Deutschland – ein Sommermärchen” bleibt aufgrund seines Vollbartes zunächst unerkannt. Was für den glatt rasierten Jürgen Vogel (zurzeit mit „Die Welle” an der Spitze der deutschen Kinocharts”) an diesem Abend nicht gilt. Obwohl er gar nicht in „Hardcover” mitspielt, erntet der 39-Jährige mitunter den meisten Beifall.
Während die Prominenten unter den Premierengästen im Festzelt nun Schutz vor dem einsetzenden Regen suchen, nehmen die restlichen Besucher in ihren Fahrzeugen Platz – und stellen fest, wie kalt so ein Winter sein kann. Wer schlau ist, leiht sich gegen 20 Euro Pfand einen Heizlüfter aus. Andere dagegen lassen Autoheizung und Motor laufen – und wundern sich hinterher, dass die Batterie alle ist. Glücklicherweise gibt es aber auch Besucher, die Überbrückungskabel dabei haben und Starthilfe geben.
Während man im Fahrzeuginneren seinen eigenen Atem sehen kann, erwacht die Faszination Autokino zum Leben. Der Filmton wird auf der Frequenz 90,0 per Funk aufs Autoradio übertragen. Auf der 540-Quadratmeter-Leinwand läuft nun „Hardcover”, der laut Sönke Wortmann irgendwo zwischen „Bang Boom Bang” und „Lammbock” anzusiedeln ist. In dem Streifen geht es um Schriftsteller Christoph (Lucas Gregorowicz), für den Kreativität ein Fremdwort ist. Inspiration findet er erst, als er den Kleinkriminellen Dominik (Wotan Wilke Möhring) trifft und beschließt, ein Buch über den „Gangster” zu schreiben.
Eigentlich ein nett anzusehder Film, wenn man ihn denn sieht – der immer stärker werdende Regen verhindert das. Zwar gibt es Scheibenwischer, doch die wischen eben nur einen Teil der Windschutzscheibe. Der obere rechte Teil dagegen bleibt ungewischt, und genau dieser Bereich ist es, der dem Autor dieser Zeilen die Sicht auf die Leinwand nimmt.
Nach 90 spannenden wie witzigen Minuten erschallt das Hupkonzert der Besucher. Begeistert zeigt sich auch Sönke Wortmann später. „Wenn ich mal einen Film über Autos drehe, dann steigt die Premiere ebenfalls in einem Autokino. Für meinen nächsten Film gilt das aber nicht.” Viel mehr will er nicht verraten, nur das: „Der Film spielt im Mittelalter, das passt nicht so ins Autokino.”
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