WAZ-Wissen-Serie zum Jahr der Mathematik, Folge II.Mathematiker sorgen dafür, dass Computertomographen ein exaktes Bild vom Körperinnern liefern
Computertomographie, kurz CT, ist ein wichtiges Diagnose-Verfahren bei Verdacht auf Tumore, Osteoporose oder Herzkrankheiten, denn sie erlaubt den Blick ins Innere des Körpers. Wie so ein CT-Bild erstellt wird, ohne dass der Patient dafür aufgeschnitten werden muss, ist theoretisch zwar leicht verständlich, doch in der Praxis ein höchst komplexes Problem - und damit interessant für Mathematiker.
Das Röntgenbild eines Arms lässt zwar die Knochen erkennen, gibt aber keinen Aufschluss darüber, wie dick sie sind. Um das zu erfahren, müsste man noch eine Aufnahme von der Seite machen und aus den beiden Bildern auf das ungefähre Aussehen des Armknochens schließen. Wem das zu ungenau ist, der muss noch weitere Röntgenbilder aus anderen Perspektiven aufnehmen, und genau das macht ein Computertomograph: Er durchstrahlt den Patienten aus unterschiedlichen Richtungen und speichert pro Richtung ein Bild.
Das Problem: Während man sich bei einem Bild von oben und einem von der Seite ungefähr vorstellen kann, wie der Armknochen in 3-D aussieht, ist es gar nicht klar, wie man aus einer Handvoll Aufnahmen aus verschiedenen Winkeln ein detailliertes Bild etwa vom Gehirn konstruieren soll.
"Statt der exakten Abbildung eines menschlichen Gehirns, die uns interessiert, liefert der Tomograph leider Aufnahmen von Projektionen des Gehirns entlang bestimmter Richtungen", erklärt Dr. Nicolai Bissantz, Mathematiker an der Ruhr-Universität Bochum, "also sozusagen nur Schattenbilder bei bestimmten Lichtrichtungen." Und während es einfach ist, den Schatten eines Objektes zu bestimmen, das man kennt, ist es äußerst kompliziert, nur aus diesen Schattenbildern auf das Originalobjekt zu schließen. Mathematiker nennen solche Fragestellungen "Inverse Probleme", weil sie einen bestimmten Prozess wie den Schattenwurf invertieren, das heißt umkehren müssen.
"Es gibt Computer-Algorithmen, die schrittweise aus den Bildern des CT das Original-Bild zurückrechnen", sagt Dr. Bissantz, "aber damit kann man nicht zufrieden sein." Denn arbeitet so ein Algorithmus zu lang, zerstört er das Bild wieder - er weiß ja nicht, ob das Bild schon nah am Original ist und transformiert es blind weiter, sodass Bildrauschen entsteht, wie das Rauschen im Radio. "Beispielsweise stoppt man den Algorithmus einfach nach einer festen Zeit", beklagt Dr. Bissantz, "egal, was untersucht wird. Dabei wäre es geschickter, ihn analysieren zu lassen, ob das generierte Bild noch stark von den Daten der Einzel-Aufnahmen abweicht, oder ob es schon beginnt zu verrauschen."
Mathematiker wie Nicolai Bissantz beschäftigen sich damit, wie aus den Schattenbildern eines Computertomographen (und den Daten anderer bildgebender Verfahren wie etwa der Positronen-Emissions-Tomographie, die Organe gut erkennen lässt) ein möglichst exaktes Bild vom Körperinneren erzeugt werden kann. Und wer sich schon immer gefragt hat, wofür man Mathematik eigentlich braucht, der kennt nun zumindest eine der vielen Antworten: Damit Ärzte beim CT tatsächlich ein Bild vom Inneren des Körpers sehen, und nicht nur einen chaotischen Haufen bunter Pixel.
Wie ein CT funktioniert, Schritt für Schritt erklärt und zum interaktiven Ausprobieren: http://www.iap.uni-bonn.de/P2K/tomography/index.html In der nächsten Folge: Was hat es mit der bekannten und mysteriösen Zahl Pi auf sich?