Die nächste große Soul-Stimme aus Britannien heißt Adele, ist 19 Jahre jung und wird von den Kritikern bereits jetzt als kommender Star des Musik-Jahres 2008 gefeiert. Viele Pfunde, wenig Komplexe

Sie hat den Soul im Blut: Adele gilt als kommender Star. Foto: Beggars Group
Sie hat den Soul im Blut: Adele gilt als kommender Star. Foto: Beggars Group © Beggars Group

Es soll nicht wenige musikinteressierte Zeitgenossen geben, die dem Hype um Amy Winehouse nicht erlegen sind, sondern sie ob ihrer Eskapaden auf dem Boulevard mittlerweile abgrundtief verachten. Und doch muss jeder Genervte der skandalträchtigen Hitparaden-Stürmerin manchen Erfolg zugestehen. Denn sie hat nicht nur der hoch toupierten Haarpracht zu neuer Popularität verholfen, sondern auch dem lange Zeit in der Schmuddelecke darbenden Genre "Soul" einen Image-Gewinn von ungeahnten Ausmaßen beschert. Davon profitieren nun sogar andere Stimmgenossinnen.

Wie etwa Adele.

Adele (gesprochen: A-dell) Adkins - so heißt diese talentierte, junge Sängerin aus London mit vollem Namen. Und mit dem Titel ihres soeben in Deutschland erschienenen Albums "19" gibt sie auch gleich ihr Alter preis. Wer jedoch den entsprechenden Tonträger in den CD-Player einlegt, der wird sofort Zweifel an der Korrektheit dieser Angabe hegen. Denn Adeles Stimme klingt wissend und weise, eben so gar nicht wie 19, und ist zudem mit dem nötigen Schuss Verruchtheit ausgestattet.

Davon profitiert vor allem "Chasing Pavements" - jener Song, der derzeit von jedem deutsche Radiosender im gefühlten Stundenpakt in die Welt hinausschickt wird. Und das zu recht. Dieses Herzschmerz-Stück der Rothaarigen von einer nicht gebeichteten Liebe hat Hit-Potenzial.

Es klingt wie Winehouse, nur ohne vorherigen Koks- und Whiskey-Konsum.

Doch es ist nicht nur die Vorliebe für dieselbe Musikrichtung, die diese beiden Soul-Verwandten verbindet. Sowohl Adele als auch Amy Winehouse absolvierten ihre Ausbildung zudem an gleicher Stätte: der renommierten Londoner School of Performing Arts. Und beide sind nicht nur Publikums-, sondern auch Kritiker-Lieblinge. Als bislang wichtigste Auszeichnung erhielt Adele den Kritikerpreis bei den "Brit Awards". Und bei einer Umfrage der BBC nach den prägenden Figuren des Musik-Jahres 2008 setzten die wichtigsten Musik-Redakteure und -Moderatoren der Insel sie auf Platz eins.

Das schürt Erwartungen, die beim Hören der Album-Erstlings größtenteils auch erfüllt werden. Obwohl manches Stück etwas pianobarmäßig sanft und störungsfrei vor sich hinplätschert, überwiegen die großen Momente - etwa bei "Melt My Heart To Stone" oder "Right As Rain".

Bemerkenswert ist auch, dass Adele trotz (oder gerade wegen) ihrer Schwergewichts-Figur der Schritt ins Scheinwerferlicht glückte. In Zeiten, in denen ein perfekter Körper und ein Model-Look fast schon K.o.-Kriterien für eine weibliche Karriere im Musik-Business geworden sind, bildet Adele quasi die Fleisch und Blut gewordene Anti-These. Sie ist keine dieser austauschbaren Barbie-Püppchen, sondern wirkt eher wie die gute Bekannte, mit der Mann sich an der Theke den nächsten Pind teilen möchte.

Und das alles dank dieser Stimme, die verrauchter ist als der düsterste Pub Britanniens.