Essen. Einer von vielen, der zum Ablauf der Legislaturperiode das Berliner Parlament verlassen, ist Peter Struck. Der SPD-Mann hat Politik im wahrsten Sinne des Wortes gelebt. Denn ohne hat er nie lange durchgehalten: Trotz zwei Herzinfarkten und einem Schlaganfall ist er immer wieder zurückgekehrt.
Das Leben danach kann sich Peter Struck (66) nicht so recht vorstellen, mag es auch nicht: Das Leben nach der Politik. Nach 29 Jahren für die SPD im Bundestag. Vermutlich wird sich Struck auf die Friedrich-Ebert-Stiftung zurückbesinnen, deren Vize er ist. Das Politische geht weiter, niedriger dosiert.
Begeisterter Rock 'n' Roller
Struck hängt daran. Sonst wäre der Unverwüstliche nicht immer wieder zurückgekommen: Nach zwei Herzinfarkten und einem Schlaganfall. 16 Jahre in der Opposition, 13 Jahre an der Macht. Er war Manager der SPD-Fraktion und ist bereits zum zweiten Mal ihr Chef. Seine prallste Zeit erlebte Peter Struck als Verteidigungsminister.
Struck hat zwar ein Privatleben, eine Frau, drei Kinder und sieben Enkel. Aber er hat sich in der Politik wie wenige persönlich ausgelebt. Über wenige kennt man so viele Vorlieben wie über den Pfeifenraucher, BVB-Fan, Motorradfahrer und, nach Joschka Fischer, wirklich „letzten Rock 'n' Roller” in der Politik. Buchstäblich, wie die Soldaten im Kosovo erfuhren, als ihr Minister bei einem Rock-Konzert auf die Bühne sprang und mittat.
Aus einfachen Verhältnissen
Eine Schlüssel-Episode war der Rücktritt von Rudolf Scharping als Verteidigungsminister im Juli 2002. Struck fuhr zum Kanzler nach Hause mit der festen Absicht, nie und nimmer die Nachfolge anzutreten, „ums Verrecken nicht”. Es war ein Meinungsaustausch, über den man in der DDR Witze gerissen hätte. Struck tauschte seine gegen Schröders Meinung und fuhr als designierter Minister heim ins niedersächsische Uelzen.
Er hat nie vergessen, wo er herkommt – aus einfachen Verhältnissen, also: SPD. Parteilinker wurde Struck zu Zeiten der Anti-Akw-Bewegung. stänkernd gegen Helmut Schmidts Energiepolitik. Nicht untypisch ist andererseits, dass er selten den großen Entwurf verfolgte. Im Zweifel hörte Struck auf den Bauch, Schröder zählte ihn lange zu den „Mittelmäßigen”.
Deutschland und der Hindukusch
Die zwei Sätze, die ihn berühmt machten, fielen spontan. Der erste: „Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es eingebracht wurde.” Es war eine Beschwichtigung der Gewerkschaften, die nach dem rot-grünen Wahlsieg 1998 die Rentengesetze ablehnten. Von Schröder wurde er dafür zusammengefaltet.
„Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt” ist das zweite geflügelte Wort. Es stand auf keinem Sprechzettel. Es war die Frage eines Journalisten, die ihn zu dieser Aussage hinriss. Er hat nicht gefackelt und nicht lange nachgedacht. Ein Rock 'n' Roller improvisiert. Warum nicht? Mit Bauchgefühl ist der schnoddrige Herr Struck gut gefahren, 29 affärenfreie Jahre lang.