Immer mehr Menschen nutzen Online-Plattformen wie StudiVZ oder Facebook, um mit Freunden zu kommunizieren. Über den Reiz virtueller Freundschaften und die damit verbundenen Gefahren sprach unsere Mitarbeiterin Mandy Kunstmann mit Astrid Carolus, Medienpsychologin an der Universität des Saarlandes.
Oft forschen Arbeitgeber Bewerber im Internet aus. Sollte man also darauf verzichten, sich in Online-Gemeinschaften zu präsentieren?
Astrid Carolus: Grundsätzlich zeigt das Vorgehen der Unternehmen, wie leicht es ist, an persönliche Daten zu gelangen. Vielen Internetnutzern ist dies nicht bewusst. Das kann zum Problem werden: Wer sich in einem sozialen Netzwerk ein Profil anlegt, sollte sich auf jeden Fall der Gefahr bewusst sein, dass jeder - Freunde genauso wie Eltern und Lehrer - die persönlichen Angaben und Äußerungen sehen kann. Also auch Menschen, vor denen man die Informationen lieber geheim halten würde. Manche Angaben im Netz bleiben daher nicht folgenlos. Wenn ein potentieller Arbeitgeber strikt gegen Alkohol ist, der Bewerber sich auf einem Foto aber im Alkoholexzess präsentiert, ist das sicher nicht von Vorteil.
Dann ist die Zurschaustellung also zu gefährlich?
Carolus: Die Frage ist nicht, ob man sich im Internet präsentiert oder nicht, sondern wie sensibel man mit den eignen Daten umgeht. Man sollte sich in einem ersten Schritt fragen, welche Daten man online stellen möchte und in einem zweiten, wer auf diese Daten zugreifen darf. Denn jede Netzwerkseite bietet die Möglichkeit, den Zugriff so einzuschränken, dass nur bestimmte Nutzer die eigenen Angaben sehen können.
Was suchen Menschen in sozialen Netzwerken? Haben sie keine echten, so dass sie auf virtuelle angewiesen sind?
Carolus: Die Communities sprechen etwas Wesentliches im Menschen an: das Bedürfnis, in Kontakt zu sein. Und dieses Begehren kann durch virtuelle Communities gemütlich von zuhause aus bedient werden. Online-Netzwerke ersetzen aber keineswegs reale Netze. Sie ergänzen diese lediglich.
Gelingt es Außenseitern, durch solche Plattformen Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, und Freunde zu gewinnen?
Carolus: Schwächere haben im Internet einen grundsätzlichen Vorteil: Die anderen User können nicht erkennen, wie man aussieht, wie man spricht oder ob man ein Mann oder eine Frau ist. Im Internet kann man sich eben komplett anders darstellen. Für Menschen, die beispielsweise unter einer gänzlich falschen Identität neue Leute kennen lernen möchten, sind virtuelle Communities jedoch weniger geeignet.
... warum?
Carolus: Weil die soziale Kontrolle dort vergleichsweise hoch ist. Denn im SNS umgibt man sich immer auch mit Kontakten aus dem "echten Leben", also mit Freunden aus der Schule, dem Dorf oder mit Familienmitgliedern. Mit einer falschen Identität ist dies kaum möglich. Somit sinkt die Glaubwürdigkeit und gleichzeitig auch die Chance, im Netzwerk akzeptiert zu werden.
... und was ist mit den Stärkeren?
Carolus: Leute, die sich im realen Leben eh schon gut darstellen können, können das auch Online ganz gut.
Geht es denn den Menschen besser, wenn sie mehr Freunde haben?
Carolus: Da der Mensch ein soziales Wesen und kein Einzelgänger ist, ist er auf soziale Kontakte angewiesen. Sein Empfinden hängt entsprechend stark davon ab. Die Antwort lautet also: ja. Für Netzwerk-User ist es eine ganz zentrale Frage, wie viele Freunde sie haben. Hier scheint zu gelten: je mehr, desto besser. Wer keine oder wenig Freunde hat, fällt dann schon auf. Interessant ist folgendes: Im normalen Leben gelten um die 120 Freunde als Obergrenze. So viele kann man sich gerade noch merken. Netzwerker aber, liegen locker im 500er Bereich.
Welchen Nutzen bringen Communities eigentlich den Teilnehmern?
Carolus: Die Plattformen stillen das Grundbedürfnis, mit Menschen in Kontakt zu treten. Sie ermöglichen es den Teilnehmern, Beziehungen zu pflegen und mit anderen zu kommunizieren. Auch das Dazugehörigkeitsbedürfnis wird befriedigt. Musikanhänger können sich beispielsweise mit Gleichgesinnten austauschen. Und Fußballfans können andere Menschen treffen, die genau den gleichen Lieblingsclub haben.
Wird unsere Welt in Zukunft nur noch aus virtueller Kommunikation bestehen?
Carolus: Viele befürchten, dass sich die einzelnen Mitglieder unserer Gesellschaft immer mehr zurückziehen und nur noch über den Computer agieren - dass die Face-to-face-Kommunikation, also die direkte Verständigung, zurückgeht. Man kann die Situation aber auch anders verstehen und die virtuelle Kommunikation als eine Reaktion auf die globalisierte Welt betrachten. In der heutigen Zeit leben Familien und Freunde eben nicht mehr wie früher ein ganzes Leben lang in engster Nachbarschaft zusammen. Oftmals verlassen wir aus beruflichen Gründen die Heimat und ab dann wird es eben schwieriger, sich tatsächlich zu sehen, und im persönlichen Gespräch auszutauschen. Soziale Netzwerke helfen hier weiter und ermöglichen es uns, unabhängig von Ort und Zeit, mit anderen in Kontakt zu treten und zu kommunizieren.
Abgesehen von Gefahren wie Datenklau oder Angriffen von Hackern - bergen soziale Netzwerke auch andere Risiken?
Carolus: Gerade für Kinder sehe ich eine Gefahr. Bereitwillig geben sie auf den Sozialen Netzwerkseiten all ihre Daten an. Und oftmals wissen die Eltern nicht einmal davon oder verstehen gar nicht genau, was ihre Kinder eigentlich im Computer machen. Kriminelle haben da ein leichtes Spiel. Sich als Erwachsener ein Profil eines 16-Jährigen anzulegen, ist eine Sache von zwei Minuten. Auch Cybermobbing ist ein großes Problem. Minderjährige, die im Internet gedemütigt werden, wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Hier brauchen wir Schulungen in denen Kinder, aber auch ihre Eltern und Lehrer, lernen, wie sie damit umgehen können.
Können Communities abhängig machen?
Carolus: Das hängt davon ab, wie man Abhängigkeit definiert. Es gibt Leute, die den ganzen Tag online sind - auch in Sozialen Netzwerken. Ebenso wie bei manchen Menschen den ganzen Tag der Fernseher läuft. Einschränkend muss man aber darauf hinweisen, dass kaum jemand ununterbrochen zum Fernseher schaut bzw. im Netzwerk tatsächlich aktiv ist. In diesen Fällen handelt es sich um "Nebenbeimedien". Problematisch wird es, wenn das Online-Engagement dem Individuum in irgendeiner Weise schadet. Wenn andere Bereiche des sozialen Lebens beeinträchtigt werden, Kinder beispielsweise Gleichaltrige gar nicht mehr "offline" treffen oder Erwachsene ihr komplettes soziales Leben im Internet austragen.
Nutzen Frauen soziale Netzwerke anders als Männer?
Carolus: Ja. Frauen nutzen die virtuellen Plattformen etwas stärker als Männer. Das ist nicht überraschend, da Frauen in der Regel sozialer und kommunikativer sind. In den Foren stellen sich Frauen als Frauen dar. Das heißt, sie präsentieren sich in frauentypischen Rollen, also als attraktiv und begehrenswert auf der einen Seite, als fürsorgliche Mutter auf der anderen. Männer betonen männertypischen Facetten - sie legen Wert auf Status und zeigen sich zum Beispiel als Besitzer eines teuren Autos. Das alles ist nicht unlogisch, schließlich schauen sich andere die Bilder an. Und man möchte die Plattform nutzen, um sich potentiellen Partnern vorzustellen. Auch wenn viele das nicht zugeben wollen, es geht neben dem Thema Freundschaft doch zumindest unterschwellig auch um die Liebe.