Ruhrgebiet. Die CSU will per Gesetzesänderung verhindern, dass Nachbarn gegen Kinderlärm klagen können. Unsere Beispiele zeigen, wie viel Unmut es tatsächlich gibt – auch wenn nicht immer gleich Justizia schlichten muss.

Der Spielplatz in der Nähe von Düsseldorf wäre ein besonders schöner geworden – mit gleich zwei Sandspielflächen, mit Basketballkorb, Balancierseil und Kletterturm. Aber schon in seiner Planungsphase kletterten die Nachbarn: auf die Barrikaden. Gegen die Baugenehmigung klagten die Besitzer eines Einfamilienhauses, später gegen den Lärm: Der Turm und seine Röhrenrutsche verführten die Kinder dazu, Steine die Rutsche hinunterpoltern zu lassen und gegen ihr Haus zu werfen.

Nach zwei Jahren musste die Stadt den Kletterturm wieder abbauen, nach fünf Verbotsschilder für Jugendliche aufstellen – der Rest durfte bleiben. Die Geräusche, die die Kinder beim Spielen machten, entschied das Oberverwaltungsgericht NRW, seien „ortsüblich und sozialadäquat”, und selbst, wenn Steine rollten, sei das „keine unzumutbare Geräuschsituation”.

Spielplätze gehören zum Wohnen. Lärm, den diese Einrichtungen mit sich bringen, muss hingenommen werden. (OVG Münster 11 A 1288/95, WM 87, 269)

In Bochums Rosenbergsiedlung streiten sich Nachbarn seit dem Sommer über ein Verbotsschild an einer Wiese: „Fußball und ähnliche Ballspiele sind verboten.” Offenbar hatte ein Mieter spielende Kinder fotografiert und die Polizei gerufen. Eltern fragen nun den Vermieter: Gilt auch Federball als ruhestörendes Ballspiel? Im feinen Münchener Vorort Bogenhausen standen sich im letzten Frühling vier Frauen und 40 Eltern in einem Hinterhof gegenüber. Angeblich waren auch hier Fotos von kickenden Kindern gemacht worden, zudem war von „Strichlisten über Ruhestörungen” die Rede.

Ist der Garten mitvermietet, dürfen Mieterkinder und fremde Kinder hier auch spielen. Eine Schaukel darf aufgestellt werden. (AG Darmstadt 33 C 172/85, WM 86, 211)

219 Euro Miete für drei Monate musste ein Vermieter in Köln an eine Hausbewohnerin zurückzahlen, weil diese im Sommer unter dem Lärm eines nahen Kinderspielplatzes gelitten hatte. Zeugen hatten bestätigt, dass es auch nach 19 Uhr auf dem Platz, der an drei Seiten von Häusern umschlossen ist, zu hallendem Lärm gekommen war. Zehn Prozent Mietminderung hielt das Amtsgericht Köln für angemessen, das die Klägerin nicht für „überempfindlich” hielt.

Eltern müssen darauf achten, dass Kinder die allgemeinen Ruhezeiten und die Hausordnung beherzigen. (LG Hamburg 11 S 246/82, WM 83, 27)

Präventive Flächenzerstörung

„Der Maulwurf war's nicht”, titelte die WAZ Wanne-Eickel im August. Damals hatte die Stadt einen Bolzplatz umgepflügt. Obwohl er für die Kinder einer nahegelegenen Grundschule gedacht war, war der Platz nachmittags auch von älteren Jugendlichen genutzt worden. Mit der Aktion kam die Verwaltung möglicherweise der Klage einer Anwohnerin zuvor, die sich 2006 schon einmal über Ruhestörungen beschwert hatte. Man habe „mit schwerem Gerät umgegraben, damit die Fläche nicht mehr genutzt werden kann”.

Bei Kinderlärm ist eine erweiterte Toleranzgrenze angebracht, denn ein Mehr-Familienhaus ist kein Kloster, Kinder können nicht wie junge Hunde an die Kette gelegt werden. (AG Neuss 36 C 232/88, WM 88, 264)

Der Bolzplatz der Bonifatius-Schule in Marl bekam im vergangenen Jahr ein abschließbares Tor und einen höheren Zaun. Zwei Jahre lang hatten sich Anwohner regelmäßig beschwert, „vermittelnde Gespräche” halfen nichts. Um einem Prozess aus dem Weg zu gehen, baute die Stadt einen „Kinderabwehrkäfig”, wie ein Lokalpolitiker verbittert monierte. Castrop-Rauxel musste nach Beschwerden eine Rutsche mit „Anti-Dröhn-Platten” bekleben und ein Trampolin gleich wieder abbauen. Die Kindertagesstätte Essen-Kettwig zieht womöglich ganz um. Lange schwelt ein Streit mit Mietern eines angrenzenden Wohnhauses. Der Besitzer äußert sein Bedauern: „Kinder müssen toben und tollen können. Aber ich muss natürlich Beschwerden weitergeben.”

Zur vertragsgemäßen Nutzung einer Wohnung gehört auch, dass Kinder entsprechend ihrem Spiel- und Bewegungstrieb spielen und lärmen. Auch lautere Ermahnungen der Eltern sind hinzunehmen. (AG Oberhausen 32 C 608/00 WM 2001, 464)

In Wuppertal dürfen die Mieterkinder weiter auf einem Garagenhof spielen. Der nahe Spielplatz sei zu eng, befand das Landgericht im Berufungsverfahren, eine besondere Belästigung nicht ersichtlich. Der Kläger musste die Kosten des Verfahrens tragen.

Lachen, Weinen und Schreien von Kleinkindern – auch nachts – muss von Hausbewohnern als natürliches Verhalten der Kinder geduldet werden. (AG Bergisch Gladbach 26 C 14/82, WM 83, 236)

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