Berlin. Kurs aufs Superwahljahr 2009 wollen die Grünen beim Parteitag am Wochenende in Erfurt nehmen. Sie wählen einen neuen Parteichef und ihre Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl nächstes Jahr, außerdem Bundesvorstand und Parteirat.

Als Parteichefin wird Claudia Roth erneut kandidieren. Neben ihr geht neu ins Rennen für den ausscheidenden zweiten Parteichef Reinhard Bütikofer der „anatolische Schwabe” Cem Özdemir. Neben ihnen wollen Fraktionschefin Renate Künast und ihr Stellvertreter Jürgen Trittin auf dem Parteitag die Weihe als Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl erhalten.

Dazu treffen sich in Thüringens Landeshauptstadt über 800 Delegierte unter dem wenig sagenden Motto „Mehr bewegen!”. Die Grünen wollen sich damit aber auch inhaltlich für das „Jahr der Herausforderungen” 2009 wappnen, wie gestern in Berlin Grünen-Geschäftsführerin Steffi Lemke sagte. Das Wahlprogramm wird freilich erst im Mai 2009 auf einem Wahlparteitag beschlossen. Da wird dann sicher auch härter um die Ausrichtung der Grünen – mehr nach links oder mehr pragmatisch – gerungen werden.

Personalentscheidungen

Hinter den Personalentscheidungen treten ohnehin die inhaltlichen Debatten in Erfurt etwas in den Hintergrund. Es geht um Energiepolitik, Klimaschutz, Menschenrechte, Friedens- und Sicherheitspolitik, Finanzkrise und um die Sicherheit vor Armut im Alter. Bei der Finanzdebatte will der Gelsenkirchener Delegierte Robert Zion einen Antrag stellen, dass Vermögende zur Finanzierung der Bankenrettung durch den Staat eine einmalige Sonderabgabe leisten müssen, wie er der WAZ sagte. Zion hatte 2007 den Göttinger Parteitag der Grünen aufgemischt und dazu beigetragen, sie außenpolitisch nach links zu rücken.

Energiepolitik

In der Energiepolitik geht die Diskussion darum, in welchem Zeitraum die Umstellung von Atom und Kohle auf erneuerbare Energien vollzogen werden soll. Die Basis will das 2030 oder früher, das freilich scheint nicht nur der Parteiführung etwas übereilt.

Mehr Aufmerksamkeit erhalten die Grünen mit der Wahl des türkisch-stämmigen Özdemir zum Parteivorsitzenden, womit ein Hauch Obama bei den Grünen einzieht. Allerdings hat Özdemir eine etwas gemischtere Vergangenheit als der neue US-Präsident. Er war acht Jahre lang Bundestagsabgeordneter, bis ihn die Bonusmeilen-Affäre und eine anrüchige Verbindung zu dem schillernden Medienberater Moritz Hunzinger zu Fall brachten bzw. ins Europaparlament. Dort resozialisierte er sich, in der Partei sind die alten Geschichten vergeben.

Durchgefallen

Dennoch fiel Özdemir kürzlich bei der Listenaufstellung in Baden-Württemberg für ein Bundestagsmandat gleich zweimal durch. Aber das war nur die übliche Art, wie die Grünen ihre Führungsleute zu adeln pflegen. Schwerer wiegt, dass Özdemir wenig Profil hat. Der „Spiegel” verspottete ihn als „Unisex-Politiker”, dessen Programm sich in seiner Herkunft erschöpfe. Sein Einfluss in der Partei sei gering.

Ursprünglich wollte Özdemir gar nicht neben Roth kandidieren, aber dann wurde er von den Realos gedrängt. Den Linken wie Jürgen Trittin dürfte er gerade recht sein. Dann reden Roth und Özdemir für die Partei, aber entscheiden tun andere – die Schwergewichte Künast und Trittin.