Washington. In den USA war der Auftritt von Barack Obama vor der Siegessäule der Höhepunkt einer ungewöhnlichen Wahlkampftour. Viele Amerikaner beobachten überrascht und fasziniert, wie sich plötzlich alle Welt für den schwarzen Präsidentschaftskandidaten begeistert.

Dick Cheney ist verzweifelt. Er starrt auf den Fernsehbildschirm, sieht Barack Obama vor den jubelnden Berlinern und sagt dann zu Bush: "Verdammt, wenn der so weitermacht, haben wir bald keine Feinde mehr." Das Ganze ist natürlich nur eine Karikatur. Der Zeichner der "Washington Post" hat sich unter der Überschrift "Die Welt liebt Obama" einen bösen Spaß erlaubt. Richtig ist aber, dass viele Amerikaner überrascht und fasziniert beobachten, wie sich plötzlich alle Welt für den schwarzen Präsidentschaftskandidaten begeistert. Viele staunen, freuen sich und sind auch ein bisschen stolz.

Obamas Auftritt in Berlin war der Höhepunkt einer ungewöhnlichen Wahlkampftournee, die in den USA mit anfänglicher Skepsis und dann mit wachsender Zustimmung und Begeisterung verfolgt worden ist. "Eigentlich sieht ein Wahlkampfmanager so perfekte Bilder nur in seinen wildesten Träumen", schrieb Eugene Robinson in der Washington Post über den Auftritt in Berlin. Obama habe wie ein Präsident ausgesehen: "Es war ein Staatsbesuch und weniger ein Wahlkampfauftritt."

McCain geriet fast in Vergessenheit

Die Bilder aus Berlin dominierten am Donnerstagabend auch die Abendnachrichten und Talkshows im amerikanischen Fernsehen. Die meisten Zeitungen hatten am Freitag ein großes Foto aus Berlin auf der Titelseite. John McCain, der Kandidat der Republikaner, sah gestern ausgesprochen hilflos aus, als er die Journalisten daran erinnerte, dass er "auch schon viele Male in Europa" gewesen sei und "gute Kontakte zu allen europäischen Regierungschefs" unterhält. Das ist sicher richtig. Aber gegen die Macht der Bilder kann McCain wenig ausrichten. In dieser Woche geriet er fast in Vergessenheit, während Obamas Reisen ganze Sonderseiten füllten. Allerdings gibt es auch Kritik an Obamas Auftritt in Berlin.

Das "Wall Street Journal" warf Obama gestern Heuchelei vor, weil er den Freiheitskampf Berlins gepriesen, aber wenig zum Freiheitskampf im Irak gesagt habe: "Obama hätte Bagdad dieselbe Sympathie geben sollen, die er Berlin gegeben hat. Aber seine Botschaft an die Menschen in Bagdad ist, dass sie ihren Kampf, den sie nur mit unserer Hilfe fortsetzen können, besser aufgeben sollen." Allerdings mussten selbst die gewohnt harschen Kritiker vom "Wall Street Journal" einräumen, dass die Bilder aus Berlin großen Eindruck auf sie gemacht haben: "Es fällt schwer, nicht gerührt zu sein, wenn man die Bilder von US-Fahnen in Berlin sieht, die fröhlich geschwenkt und nicht verbrannt werden."

"Das ist einfach nur Disneyland"

In der "New York Times" kritisierte gestern der einflussreiche Kommentator David Brooks den Berlin-Auftritt: "Obama profitiert von einer Woche mit guten Bildern. Aber so viel Optimismus ohne Realität hat mit Eloquenz nichts zu tun. Das ist einfach nur Disneyland." Manche Kommentatoren beschäftigen sich auch mit der Frage, warum Obama in Deutschland so beliebt ist. Eine schlüssige Antwort finden sie nicht.

John Kornblum, früherer US-Botschafter in Berlin, der am Donnerstag selbst an der Siegessäule dabei war, berichtete von deutschen Zuhörern, die die Rede größtenteils nicht einmal verstanden haben: "Aber das schien ihnen gar nichts auszumachen. Begeistert waren sie trotzdem."

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