Frankfurt. .
Bei Andrea Amberge hat eine Platzrunde in einem kleinen Sportflieger über der Lüneburger Heide die Leidenschaft geweckt. „Als wir wieder am Boden waren, wusste ich, dass ich genau das machen wollte", sagt die Pilotin, die heute Maschinen mit 300 Menschen über die Ozeane fliegt. Die 54-Jährige gehört zu den ersten Frauen, die bei der Lufthansa im Cockpit Platz nehmen konnten. Sie alle mussten vor drei Jahrzehnten Widerstände bei den Kollegen wie auch im familiären Umfeld überwinden.
Im April 1986, als die Lufthansa erstmals junge Frauen an ihrer Fliegerschule aufnahm, wurde dieser Schritt als überfällig empfunden. Die Fluggesellschaft gehörte vor 30 Jahren keineswegs zu den Pionieren der Gleichberechtigung über den Wolken. So ist vom damaligen Leiter der Verkehrsfliegerschule, Alfred Vermaaten, aus den 60-er Jahren das Zitat überliefert: „Eher wird eine Frau Boxweltmeister im Schwergewicht als Kapitän bei der Lufthansa."
Amberge hat es aus eigener Kraft geschafft, wie sie stolz erzählt. Ihre Familie sei gar nicht begeistert gewesen. Mit Nebenjobs finanzierte sie demnach ihre Pilotenscheine auf eigene Faust, um schließlich als Quereinsteigerin bei der Lufthansa zu landen.
Direkte Diskriminierung habe sie nie erlebt, aber etwas, das viele Frauen aus ihrem Berufsleben kennen: „Kapitäne wie Prüfer haben immer besonders genau hingeschaut, ob ich das auch richtig mache. Ich dachte, ich bin wohl nur Durchschnitt, was natürlich nicht stimmte."
Nach Angaben der 1978 gegründeten internationalen Pilotinnengesellschaft ISA+21 stellte die US-Gesellschaft Central Airlines 1934 Helen Richey als erste Pilotin ein. Sie gab allerdings zehn Monate später wieder auf, nachdem ihr die Pilotengewerkschaft die Aufnahme verweigert hatte. 1947 nahm sich die völlig verarmte Ex-Pilotin das Leben. Erst später wurden US-Gesellschaften wie Delta zu Vorreitern.
„Ich habe eigentlich kaum gegen Vorurteile kämpfen müssen", sagt eine aktuelle Flugschülerin, die als Piloten-Lehrling die Verkehrsfliegerschule der Lufthansa in Bremen durchlaufen hat. Sie findet die Zusammenarbeit mit Männern etwas einfacher, „wegen der direkten und nicht ganz so emotionalen Kommunikation“. Wenn sie aber mal Kolleginnen im Cockpit treffe, genieße sie das auch sehr. „Die Gespräche sind ein bisschen persönlicher.“
Weltweit finden immer mehr Frauen ihren beruflichen Weg in die Cockpits der Passagierjets. ISA+21 schätzt ihre Zahl auf rund 4000, entsprechend nur rund drei Prozent sämtlicher Verkehrspiloten weltweit sind. Selbst bei der arabischen Fluglinie Emirates arbeiten Frauen inzwischen ganz vorne in den Flugzeugen. Der Lufthansa-Konzern kommt mit gut 530 Pilotinnen aktuell auf einen Frauenanteil von sechs Prozent im Cockpit, wobei die Regionaltochter Cityline mit ihren kleineren Maschinen mit 13 Prozent den höchsten Anteil ausweist.
Der Frauenanteil könnte eigentlich noch steigen, aber zumindest für die Konzerngesellschaften Lufthansa und Germanwings gibt es seit 2014 einen Piloten-Einstellungsstopp, weil sich Unternehmen und Pilotengewerkschaft nicht auf einen neuen Tarifvertrag einigen können. Unter den rund 850 fast fertig ausgebildeten Nachwuchskräften ist etwa jede Zehnte weiblich.
Ein ganz anderes Bild ergibt sich in der Kabine, wo die Frauen im klassischen Flugbegleiter-Beruf immer noch vier von fünf Beschäftigten stellen.