13 000 Verkehrsverstöße hat Horst-Werner Nilges seit 2004 in seiner Heimatstadt Osterode angezeigt.Seitdem lebt er mit Beschimpfungen und Drohungen. Aufhören wird er deshalb nicht. "Ich mache nichts falsch"

Osterode. "Der Petzer" taufte ihn jüngst eine Boulevardautozeitung und legte einen neidgelben Rand um ihre Doppelseite über den Mann, der angeblich sogar gelandete Rettungshubschrauber im Einsatz wegen Falschparkens anzeigt. Nach jeder solchen Verbalattacke, gedruckt oder gesendet, die ihn Richtung Denunziantentum rückt, bekommt Horst-Werner Nilges eine neue Welle aufbrausenden Volkszorns zu spüren. Klein werden sie den 1,90 Meter großen Harzer nicht kriegen: "Diese Anfeindungen perlen inzwischen an mir ab."

Beschimpfungen, Telefonterror gehören zu seinem Alltag. Zwar findet sich kein Türschild an dem gepflegtem Einfamilienhaus, jedoch ist sein Telefonbucheintrag kein Geheimnis. Eierwürfe gegen die Fassade, eine Patrone im Briefkasten, ein total zerkratzter Wagen, Morddrohungen sind die bisherigen Höhepunkte. Unfreundlich wird es, wenn - sagen wir mal: persönlich Betroffene - im Wendehammer der Vorort-Sackgasse warten, um den als "Knöllchen-Horst" Bekannten einzuschüchtern.

Warum sich das jemand mit 54 antut? Weil Nilges nicht anders kann.

Einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und Gleichbahndlung zeigte der gelernte Maschinenbautechniker nämlich weit vor der ersten Protokollierung eines Falschparker. Der langjährige Frührentner kämpfte schon im Jahr 2000 gegen Kreis und Kommune, setzte eine kleinere Restmülltonne durch und gegen die unzulässige Abwälzung von Kosten auf die Müllgebühren. "Damals war ich ein Held", sagt er. Und 500 000 Mark Abwassergebühren mussten an rund 4000 Haushalte zurückgezahlt werden.

Dann kam der Tag der Ur-Knolle. Nilges: "Ich wurde vom Leiter der Straßenverkehrsbehörde aufgefordert, Anzeigen gegen das Befahren und wilde Parken in der Fußgängerzone am Kornmarkt zu schreiben". Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Ordnungsamt und Polizei hatten sich nicht so doll gegen Falschparker im Herz von Osterode engagiert. Der örtliche Geschäftsmann schätzt es auch im schönen niedersächsischen Harz, wenn sein Kunde bis vor die Ladentür fahren kann. Aber keine Stadt verwandelt gerne eine Fußgängerzone zurück in eine Fahrstraße, wenn man deshalb Landesmittel zurückzuzahlen hätte.

Nilges sitzt also anno 2004 oft im Café am Kornmarkt, und er schreibt die Kennzeichen der vielen Falschfahrer in der Fußgängerzone auf den Rand seiner Zeitung, tippt sie zuhause ab und schickt sie ins Rathaus. So richtig kommt die Sache erst ins Rollen, als Nilges ab 2006 Beweisfotos schießt. Denn sonst steht zumeist Aussage Nilges gegen Aussage Fahrzeughalter gleich Einstellung des Verfahrens, und das spricht sich herum.

"Ohne Streife zu laufen", wie er betont, entdeckt er bei seinen alltäglichen Gängen in Osterode im Schnitt 15 Parkverstöße aller Art und zeigt sie, säuberlich protokolliert, an. Längst hat er sein ursprünliches Ziel erreicht: Stadt und Polizei kontrollieren mehr, die Fußgängerzone ist wieder eine.

Warum er diesen Zeitpunkt nicht nutzt, um aufzuhören? Auf diese Frage gibt es keine Antwort aus seinem Mund. Er könnte jetzt nur noch Gas-Rebell sein, der seit Jahren keine Gaspreiserhöhung bezahlt. Er könnte jetzt nur noch die Enteignungen in der ehemaligen sowjetisch besetzten Zone verfolgen. Er könnte weiterhin Amtsgerichtsprozesse verfolgen, "bei denen ich ganz oft die einzige Öffentlichkeit bin", wie er sagt. Er könnte wie früher ein Hobby haben oder mal wieder reisen.

Tut er aber nicht.

Im Laufe eines langen Gesprächs im Keller seines Hauses schrumpft der couragierte Mensch hinter "Knöllchen-Horst" zum unerbittlichen Recht-Haber. Seine Prozesse gewinnt er alle, aber das gerechte Maß hat er verloren. Der Zerfall des Rechtsstaates, Dopingbetrug, Kungelei, Amtsmissbrauch, Willkür - das alles beginnt für Horst-Werner Nilges beim, wie er es nennt, "Rechtsverstoß" im Parkverbot. Und damit macht er sich selbst klein.