Essen. Die Messe „Anuga” bringt die Neuheiten der Lebensmittelbranche auf den Tisch. Probieren dürfen nur Fachbesucher. Sie testen sich durch - vom Ferkelpfötchen bis zur "schärfsten Cola der Welt".
Blue Bubble Gum macht keine Blasen. Die Limo kann nur blaue Bläschen, die Kaugummi-Geschmack an den Gaumen kleben. Hat aber keinen künstlichen Zucker! Farbstoffe auch nicht. Wunder-Welt moderner Lebensmittel? In Köln bittet die Messe „Anuga” zu Tisch.
Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Beides kann dort aber auch schwer liegen bleiben. Im Magen wie auf der Seele. „Man muss sich viel zu viel angucken”, klagen Besucher, die Augen größer als der Bauch. Denn probieren geht über studieren! Alles, was schmeckt. (Das andere auch.) Bananenkuchen von Frau Chiquita. „Schlappe-Seppel-Bier”. Hamburger aus der Türkei, Wodka aus Argentinien und japanisches Grüntee-Eis.
Fingerspitzen fühlen das Filet
Dabei sind die, die hier einkaufen, erstaunlich schlank. Männer meist in schwarzen Anzügen, die mit spitzen Fingern in Fleischtröge greifen und Frischhalte-Folien eindrücken, um das Filet darunter zu fühlen. Die mitten im Schlaraffenland nüchtern rechnen und reden über Kostenstellen, Lieferumfänge und Logistik. In Wirklichkeit läuft jede Nahrungskette über diese Einkäufer: über ihre Zungen und Aktentaschen in den Supermarkt.
Sechseinhalbtausend Aussteller aus fast 100 Ländern werben um ihre Gunst, von Ägypten bis Zypern, aus Ecuador, Ghana, Jordanien und Usbekistan, so viele Leckerbissen und jeder bloß – ein Artikel. Tofu aus der Tube, Kartoffelspiralen am Spieß, rosa Pfeffer in Schafsmilchschokolade. Nougat-Eis vom Wasserbüffel, Käse mit Whiskey und Basilikum-Aroma im Flakon. Die Printen sind schon gebacken, die Knusperhäuschen auch, es gibt Döner aus der Dose und Toffee zum Trinken.
Italien wirbt wie immer mit "Amore"
Es riecht nach rumänischer Pfefferwurst und viel zu viel Zucker, nach Knoblauch und frischen Brötchen. Und weil neben der Nase wie immer auch das Auge mit isst, wird das große Fressen farbenfroh garniert. Italien wirbt wie immer mit „Amore”, in diesem Fall für Schinkenspeck, Bayern wirbt mit Blasmusik für seine Brotzeit, und „Deutsches Fleisch” auf Chinesisch mit drei Schweinenasen.
Überhaupt haben sie viel Schwein auf dieser Show, die als Partnerland doch die Türkei zum Essen eingeladen hat. Hinter gekühlten Vitrinen laufen Bilder ihrer Schlachtung, und bei einer Firma für Nebenprodukte und Naturdarm bewacht ein Herr mit Hut auf Eis gelegte Ferkelpfötchen. Gesünder geht natürlich auch, nur sieht es Nahrungsergänzungsmitteln eher aus wie in einer Drogerie; man fühlt sich fast krank unter Pillen und Pulvern, an denen „glaubwürdig” steht, „true” oder der Name eines Herstellers mit Doktortitel. Aber das kann auch an den vielen Häppchen liegen, die sich am Wegesrand anboten, und vielleicht ist es deshalb Absicht, dass die „Anuga” ihre Theke ans Ende gestellt hat. Zu einer anständigen Verkostung gehört ein Gläschen, zum guten Abschluss am besten ein kleines.
"Schärfste Cola der Welt"
Alle zwei Jahre
Alle zwei Jahre stellen Hersteller aus aller Welt auf der „Anuga” die neuesten Trends des Nahrungsmittelmarkts vor. Zugelassen sind allerdings nur Fachbesucher aus der Branche. Erstmals seit langem wurde die Ausstellung nicht von aktuellen Skandalen überschattet. Dennoch ist Gesundheit das Thema Nr. 1: mit allergenfreien und Bio-Lebensmitteln.
Wobei: Die sind alle klein. Becherchen mit rosa Saft aus China, Pinnchen voll grünen Gifts und Pröbchen vom „Alcohol Doctor” aus Korea, der gegen Völlegefühl allerdings nicht hilft. Dafür spendet eine halbe Halle Kraft, bald birst sie vor Energy-Drinks, die „Bomba” heißen (blau), „Explosive” (grün) oder gleich „Wake Up” und „Life”. Dazwischen wirbt Bob Marley selig für das Gegenteil: Entspannungs-Tees mit Passionsblume. Überhaupt gibt es auch FlowerPower aus der Flasche, Säfte „Quattro Stagioni” mit rosa Pampelmuse für den Herbst, und die „schärfste Cola der Welt”, in der Chili angeblich rebellisch macht. Falls da einer einfach Wasser will: Das karrten sie aus Kanada heran, aus der Türkei und „kalorienfrei”.
Zuviel des Guten? Die Messe-Restaurants sind trotzdem voll. Kann sein, ein Einkäufer sieht den Tisch vor lauter Tellern nicht. Denn da war dieser Mann, der mittags durch die Messe eilte: „Wo gibt's denn hier mal was zu essen?”