Essen.

Noch ein Wenderoman, sogar ein großer, lobt der Schutzumschlag im freudigen Vorgriff auf euphorische Leser.

Es fängt aber gar nicht gut an: Detailsüchtig, behäbig und ein bisschen staubig erzählt Tellkamp vom Internatsschüler Christian, der zum 50. Geburtstag seines Vaters nach Hause kommt. Die verzweigte Familie lebt in den verkommenenen Villen eines alten Viertels über Dresden; im Roman heißt es „Der Turm”, im Leben „Weißer Hirsch”. Hier hocken sie fest verkapselt beieinander, die Bildungsbürger der DDR; spielen Cello und rufen den Kater Chakamankabudibaba; sollte darin eine Spur Ironie liegen, sie wäre sehr fein.

Auf Seite 83 ist der Geburtstag endlich vorüber und man fragt sich, was das noch werden soll. Tatsächlich folgt man den letzten 900 Seiten nicht ungern, wenn auch manchmal kopfschüttelnd. Tellkamp erzählt 1001 Geschichte über die letzten Jahre der DDR mit all den alten Kamellen vom Doktor, der Medikamente gegen Sultaninen tauscht und vom Schlangestehen, ohne zu wissen, wofür. Man erfährt nur sehr bedingt, wie es zuging in der DDR – der Ausschnitt ist sehr eng. Und dass aus jeder Zeile Thomas Mann grüßt, ist von mäßigem Erkenntniswert: Bürgertum plus intellektuelle Diskussionen, und die Musik wird zur deutschen Kunst erklärt. Es ist schon dick.

„Der Turm” ist ein Roman, kunstvoll verschnörkelt wie das Gitterdetail auf dem Titel; er vermittelt die feine Melancholie, die Herzen wärmen kann, ohne ernsthaft zu berühren. Ein Roman, wie gemacht für den Deutschen Buchpreis.

Uwe Tellkamp: Der Turm (Suhrkamp, 973 S., 29,90 €)