Im Teilchenbeschleuniger des Genfer CERN startet heute das größte Experiment der Wissenschaftsgeschichte. Physiker würden sich über die Entstehung Schwarzer Löcher freuen, Pessimisten aber befürchten den Weltuntergang

Das war 1954 ein Hit im Nachkriegs-Deutschland: "Am 30. Mai ist der Weltuntergang! Wir leben nicht mehr lang!" jubilierte das inzwischen im Schwarzen Loch der Musikgeschichte verschwundene Golgowsky-Quartett.

Die Apokalypse des Jahres 2008 wird ab neun Uhr per Live Stream im Internet übertragen: webcast.cern.ch/. Dann schießen im Teilchenbeschleuniger des CERN bei Genf, größte Maschine aller Zeiten, Billionen von Protonen mit unbekanntem End-Ergebnis aufeinander. Wir wünschen gute Unterhaltung.

Seien Sie aber nicht allzu enttäuscht: Es dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach nicht viel passieren, und was geschieht, ist ganz, ganz kurz. Der 27 Kilometer lange Röhrenring unter der Erde war nämlich mit alles in allem über 3,5 Milliarden Euro nicht ganz billig, und deshalb wird der so genannte Large Hadron Collider (LHC) behutsam über Monate hochgefahren.

Abbremsen lassen sich die hochenergetischen Protonen-Ströme im "großen Teilchenbeschleuniger", wenn sie nicht sowieso aufeinander geschossen werden, nur durch gezielten Aufprall auf dicke Graphitplatten. Geht das daneben und verlassen die Teilchen ihre vorgedachte Bahn, schießen sie ganz reale Löcher in den teuren Tunnel.

Was da in der Kernforschungsanlage - CERN ist die Abkürzung des französischen Begriffes dafür - wirklich passiert und warum, ist so kompliziert, dass es sich nur laienhaft erklären lässt. Billionen von Protonen, die kleinsten "handhabbaren" Atomkernbestandteile, werden mit der elektrischen Energie eines kleinen Kraftwerks auf Trab gebracht. Bis annähernd auf Lichtgeschwindigkeit. Dann knallen sie auf gegenläufigen Bahnen gegeneinander, zumindest einige Millionen.

Wie bei zwei frontal aufeinander schießenden Raketen entstehen Splitter, und um die geht es den Wissenschaftlern. Gefahndet wird beispielsweise nach dem Higgs-Boson, aufgrund der ihm zugeschriebenen phänomenalen Eigenschaften auch boulevardesk als Gottesteilchen bezeichnet. Die naive Umschreibung hätte Albert Einstein vermutlich so wenig gefallen wie Gläubigen, die Gott eher in als hinter den Dingen sehen, wie klein und versteckt sie auch sein mögen.

Möglicherweise findet man das von Herrn Higgs vor Jahrzehnten postulierte Teilchen auch nie, weil es genauso Fiktion ist wie die String-Theorie mit sieben, teilweise recht winzig aufgerollten Dimensionen. Vielleicht findet man einfach etwas anderes, denn "95 Prozent des Universums sind uns unbekannt", sagt der designierte deutsche CERN-Chef Rolf-Dieter Heuer (60).

Bekannt ist allerdings, dass die LHC-Experimente gutes Brennholz zum Schüren von Ängsten abgeben. Zustände wie beim Urknall vor Milliarden Jahren, Temperaturen, tausendefach höher als auf der Sonne, ein mathematischer Hauch Wahrscheinlichkeit, dass das neuzeitliche Faszinosum Schwarzes Loch bei der Ring-Schlacht entsteht. Stoff für Untergangs-Szenarien.

Der Tübinger Chaos-Forscher Otto E. Rössler zog vor den Europäischen Gerichtshof, um das menschgemachte jüngste Gericht zu verhindern. Vergeblich. Auch Nostradamus soll die CERN-Katastrophe geweisssagt haben. Aber die Hoffnung stirbt bei Forschern zuletzt. Auch vor der Explosion der ersten Atom- beziehungsweise Wasserstoffbombe wusste man nicht, ob die Welt sich weiterdreht oder eine immerwährende Kernschmelze einsetzen würde.

Ein All-verschlingendes Schwarzes Loch darf natürlich seit seiner sprachlichen Erfindung 1967 in keinem besseren Science-Fiction-Film fehlen. Die CERN-Forscher würden sich freuen, wenn sie eins nachweisen könnten, denn es diente gleichzeitig als Beleg für eine noch unbekannte zusätzliche Dimension. Das Loch wäre übrigens auch eher ein kleines schwarzes und würde innerhalb kürzester Zeit zerstrahlen, was wir der Entdeckung des bekannten Rollstuhl-Professors Stephen Hawking zu verdanken haben.

Und wenn nicht? Dann braucht es ein paar Milliarden Jahre, um zu unersättlicher Größe zu wachsen. Bis dahin scheint unsere Sonne nur noch auf YouT?ube.