Karlsruhe. Drogerie-Unternehmer Götz Werner behandelt seine Beschäftigten zivilisiert und fordert ein staatliches Grundeinkommen. Sogar die Gewerkschaft Verdi lobt seine Geschäftsprinzipien bei dm.

Unternehmer sitzen eher selten in der TV-Talkrunde von Anne Will am Sonntag Abend. Das mag zu tun haben mit der Angst der Manager, in einer für sie ungewohnten Situation zu sehr unter Druck zu geraten. Götz Werner ist da in einer besseren Position. Er hat gute Nachrichten zu verkünden. Deshalb nahm er Wills Einladung unlängst an.

dm-Chef Götz Werner, der Menschenfreund und Goethe-Fan.
dm-Chef Götz Werner, der Menschenfreund und Goethe-Fan. © WAZ

Götz Werner, Jahrgang 1944, 1,87 Meter groß, peilender Blick, behaarte Handwerker-Arme, ist Eigentümer der zweitgrößten Drogerie-Kette Deutschlands. Mit angeblich knapp einer Milliarde Euro Privatvermögen steht er auf Platz 110 der Liste der reichsten Deutschen, mit der alljährlich das Manager Magazin herauskommt. Werners Konzern dm-drogerie markt umfasst über 2000 Filialen, die eine Hälfte in Deutschland, die andere in Österreich, Ost- und Südosteuropa. Selbst in Serbien und Rumänien findet man dm-Märkte. Jede Woche kommen irgendwo in Europa zwei bis drei neue Filialen hinzu.

Geschäftserfolg mit den Beschäftigten gemeinsam erzielt

Seinen Geschäftserfolg hat Werner freilich nicht gegen seine Beschäftigten erzielt, sondern mit ihnen. Die Entwicklung von dm beweist, dass ein harmonisches Verhältnis zwischen Unternehmen und Personal auch in der hart umgekämpften Branche der Drogerie-Märkte möglich ist.

Obwohl dm offiziell nicht tarifvertraglich gebunden ist, gilt der von der Gewerkschaft Ver.di ausgehandelte Tarif als Basis der Arbeitsverträge. Darüberhinaus gibt es Zulagen, die abhängig sind von der persönlichen Leistung und dem Erfolg der Filiale. Außerdem genießen die Beschäftigten am Arbeitsplatz einen gewissen persönlichen Freiraum. Über die Aufteilung der Arbeitsschichten entscheidet in der Regel nicht der Vorgesetzte allein, sondern die Belegschaft der jeweiligen Filiale beschließt gemeinsam.

„Motivation und Zufriedenheit” nennt der Berliner Verdi-Sekretär Achim Neumann die leitenden Prinzipien bei dm. Für das Konkurrenzunternehmen Schlecker, den Marktführer, stellt Neumann dagegen: „Druck und Angst”. 1998 verurteilte das Amtsgericht Stuttgart das Ehepaar Schlecker zu zehn Monaten Haft auf Bewährung, weil man den Mitarbeitern jahrelang den Tariflohn vorenthalten und weniger gezahlt hatte.

Unternehmer und Zahlenfuchs fordert staatliches Grundeinkommen

Obgleich Unternehmer und Zahlenfuchs, ist Werner ein Menschenfreund. Er hat die Werke Schillers, Goethes und die Bücher des Begründers der Antroposophie, Rudolf Steiners studiert. Der autodidaktisch gebildete Drogerieunternehmer sagt, er wolle "die Menschen behandeln, wie sie sein könnten". Im Sinne des klassischen Bildungsideals betont er das Mögliche, das Potenzial, das in jedem Menschen steckt, das Gute, das man in ihm wecken kann. Er versucht ernsthaft, dieses Prinzip in seinem Unternehmen zu beherzigen - wobei er manchmal Gefahr läuft, auf den Holzweg zu geraten. So verwandelte er eine Goethe-Weisheit selbst in den dm-Werbespruch: „Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein”.

Als Drogerie-Chef alleine hätte es Werner jedoch nie zu seiner heutigen Popularität gebracht. Die verschafft ihm ein utopisch anmutender Plan, den er auch bei Anne Will propagierte. Werner fordert ein bedingungsloses, staatliches Grundeinkommen für alle – aktuell auch als ein Mittel gegen die Wirtschaftskrise. Er schlägt vor, dass jeder Bundesbürger etwa 1000 Euro pro Monat vom Staat erhalten solle – ohne Arbeit und die Pflicht, die Bereitschaft unter Beweis zu stellen. Damit wären alle Sozialleistungen abgegolten. Jeder Mensch wäre materiell abgesichert und könnte sich überlegen, was er mit seinem Leben anfängt.

Werner, der Menschenfreund, ist überzeugt: Die allermeisten Menschen würden nicht die Kelle fallen und ihr Leben vor dem Fernseher ausklingen lassen. „Jeder Mensch will doch tätig sein”, sagt er, „eine Gesellschaft ohne Angst, das ist mein Polarstern”.

Hannes Koch: Soziale Kapitalisten – Vorbilder für eine gerechte Wirtschaft. Rotbuch 2007. 192 Seiten. 19,80 Euro.

Mehr zum Thema: