Köln. An Bord des Rheinschiffs "Viking-Helvetia" treffen sich Menschen, vorwiegend Frauen, die ihren Partner verloren haben. Durch viel Beistand können sie hier die nötige Kraft schöpfen, den Schmerz zu verarbeiten.

Ein wenig schwankt die Viking-Helvetia, die auf den Wellen des Rheins von Rüdesheim nach Köln unterwegs ist. Wer auf dem Kreuzfahrtschiff spaziert, muss das Gleichgewicht suchen. "Vor allem das innere", sagt Irma Heyne-Beuse. "Jedenfalls in unserer Regen-Bogen-Gruppe." Hier reisen Menschen, die ihren Partner verloren haben.

Wer sie abends sieht, wenn sie auf dem Schiff herumtanzen, kann das kaum glauben. Werner (71), ehemaliger Opel-Arbeiter aus Wanne-Eickel und einer der wenigen Männer in der Gruppe: "Tagsüber sind die ruhig, aber abends werfen die die Krücken weg und legen los." Übertrieben sind nur die Krücken. Denn selbst die älteste Dame, eine 87-jährige Rheinländerin, kommt noch gut ohne orthopädische Stützen zurecht.

Werners Frau ist an Brustkrebs gestorben. Lange hat sie gekämpft. Dann war Schluss, sagt er. Er wollte seiner Tochter nicht mit dem Gejammer auf die Nerven gehen. Aber eine Trauerreise? Die Tochter habe gesagt: "Papa, fahr doch einfach mal mit!" Mit allem hatte er gerechnet. Aber nicht mit dieser Fröhlichkeit. Gut, dann macht er eben mit. Abends, ab in die Mitte, wo die Frauen sich schwofend den Stempel der "lustigsten Truppe an Bord" verdienen. Dass sie eigentlich unterwegs sind, weil sie trauern?

"Ja, denn lachen und weinen gehören sehr eng zusammen", sagt Eva Chiwaeze. Sie ist als Trauerbegleiterin der Hospiz-Initiative Wesel mit an Bord der Regen-Bogen-Reisen. Eine Idee, die so außergewöhnlich ist wie aus der Not geboren. "Als mein Mann starb, war ich am Ende. Ich wollte nicht mehr. Erst durch Gespräche im Hospiz habe ich wieder Kraft gefunden. Und da ist die Idee geboren", sagt die Initiatorin Irma Heyne-Beuse. Ein Leben lang hatte sie am Niederrhein ein Reisebüro geführt. Jetzt mit 71 Jahren wurde sie zur Jung-Unternehmerin. Mit – ja mit was?

In Gesprächen erhalten die Reisenden Beistand. (Fotos: WAZ, Jakob Studnar)
In Gesprächen erhalten die Reisenden Beistand. (Fotos: WAZ, Jakob Studnar) © WAZ

Trauerreisen? Witwenreisen? Nein, das seien nicht die richtigen Begriffe. Aber letztlich seien Begriffe doch auch egal, sagt Marlies.

Vor knapp einem Jahr starb ihr Mann. Diese Leere, auf einmal ist keiner mehr da, mit dem man das Leben teilen kann. "Der einem Guten Morgen sagt oder Gute Nacht", sagt sie – und dann holen die Tränen sie ein. Frau Chiwaeze ist zur Stelle. Nimmt ihre Hand. Hört ihr zu.

"Ich kann die Trauer nicht nehmen", sagt sie später. "Aber ich kann Beistand geben. Und den Menschen die Gewissheit, dass sie es aus eigener Kraft schaffen können, die Trauer zu verarbeiten. Auch wenn es Zeit braucht."

Die Frauen – es sind eben überwiegend Frauen – nicken. Auch Renate, die gerade jedem ein Stückchen Kuchen auf den Teller legt. Der Gedanke der Gemeinschaft wird zelebriert. "Wir haben alle das gleiche Schicksal."

Hier könnten sie über das reden, was sie bewegt. Über ihre Männer. Dass sie die besten waren, klar. Aber auch Nörgler sein konnten. Und Besserwisser. Und wie man gestritten hatte, dass die Fetzen flogen. Dass sie noch seine Tweedjacke im Schrank hat, sagt Ulla. "Ich glaube, die riecht noch nach ihm." Und dass sie immer noch sein Bett mitbezieht.

"Zuhause will das doch keiner hören", sagt Elfriede (67). "Die Kinder haben ihr eigenes Leben. Und den Freunden geht man doch nur auf die Nerven." Alle nicken.

Was hatten sie nicht alles versucht, um sich abzulenken: Turnverein, Kegelclub, Single-Reisen. "Da sind zwar auch Witwen unterwegs, aber die verdrängen ja nur." Keine tiefen Gespräche, "nur purer Aktivismus, die laufen ihren Problemen doch nur davon".

Die, die hier sind, wollen das, was geschehen ist, auch spüren. Auch auf die Gefahr hin, dass es weh tut. Sagt Elfriede. Sie kämpft mit den Tränen, dann lässt sie sie zu. "Ich kann jetzt weinen, weil ich weiß, hier werde ich aufgefangen. Alleine hatte ich Angst vor dem schwarzen Loch."

Die Leere, die Angst, dass die Einsamkeit neu da ist – Weihnachten ist dafür wie gemacht. Die Feiertage sind hart. Aber die Erinnerung an die gemeinsame Zeit an Bord hilft, sagt Elfriede. Alle nicken, greifen zum Kuchen und summen ein leises "Oh, du fröhliche".

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