Die Uraufführung im Dezember 1949 war ein veritabler Erfolg. Das Publikum zeigte sich angetan, die Presse urteilte milde. Und doch: Der Komponist, so ist überliefert, zog sich gedemütigt zurück, gab sich dem Kummer und der Wodkaflasche hin. Dass er bald darauf eine hoch offizielle, üppig dotierte Auszeichnung für sein neues Werk bekam, machte die Sache nicht besser.

Weil sich Dmitri Schostakowitsch, um den es hier geht, für den Stalinpreis 1. Klasse (satte 100 000 Rubel wert) verbiegen musste. Weil er mit dem oratorischen „Lied von den Wäldern“ seine ästhetischen Prinzipien opferte, zugunsten des staatlich verordneten „sozialistischen Realismus“. Volksnah sollte die Musik sein, heldenhaft, kraftvoll und optimistisch.

Wie das klingt, dokumentiert nun eine neue CD des Estnischen Nationalorchesters unter Paavo Järvi (Erato/Warner Classics). Eine Aufnahme, die sich engagiert diverser Schostakowitsch-Kantaten annimmt. Neben den „Wäldern“ sind „Über unserer Heimat strahlt die Sonne“ (1952 komponiert) und „Die Hinrichtung des Stefan Rasin“ (1964) zu hören. Viel pathetisches Geklingel, Fanfarengeschmetter, Marschgetöse oder süßliche Lyrik bestimmt den Ton – allerdings nicht ausnahmslos.

Kein Wunder, wenn mit den „Wäldern“ Stalins Wiederaufforstungsprogramm nach dem Krieg gepriesen wird oder wenn die „strahlende Sonne“ dem 19. Kongress der kommunistischen Partei gewidmet ist, entsprechend unerträglich kitschig und hehr über dem heldenhaften Vaterland leuchtet. Opportunismus pur, aus der Not geboren. Denn wer in der sowjetischen Diktatur in Ungnade fiel, konnte morgen verschwunden sein.

So schwankte Schostakowitsch – hier die Gefälligkeitswerke, dort seine als formalistisch gebrandmarkten Sinfonien – ästhetisch zwischen Willfährigkeit und Emanzipation. Gut, dass Järvi und sein Orchester, dazu der vorzügliche Estnische Konzertchor und der Narva Kinderchor sowie Kostiantyn Andreiev (Tenor) und Alexei Tanovitski (Bass) keine überhitzte, vielmehr eine dokumentarische Interpretation anbieten.

Und die Kantate über Stefan Rasin wiederum spricht, in klarer Abgrenzung von den zwei anderen Stücken, Schostakowitschs eigene Sprache. Die hier bisweilen ans Naturalistische grenzt. Die düster, machtvoll und farbenreich von der Exekution eines Zarengegners erzählt. Packend dramatisch stehen sich Masse und Individuum gegenüber.

So hören wir eine CD, die eindrucksvoll Schostakowitschs zwei Gesichter zeigt. Ärgerlich allerdings, dass die höchst politischen Texte im Booklet nicht abgedruckt sind.