Mülheim. In Deutschland erzielt die Campingbranche Milliarden-Umsätze - Tendenz steigend. Viele Menschen wohnen sogar auf den Plätzen. Auf dem Campingplatz Am Entenfang genießen im Sommer bis zu 2600 Menschen die Idylle. Einige leben hier das ganze Jahr über.
Als Klaus Pawelczyk vor drei Jahren beim Einwohnermeldeamt war, bekam er ganz neue Ansichten von seinem Wohnort. „Da hat man mir gesagt: Sie leben ja in Mülheims größtem Wohnhaus, nur waagerecht”, erzählt der 55-Jährige. Dabei handelt es sich nicht etwa um ein umgestürztes Gebäude – sondern um den Campingplatz Am Entenfang an der Stadtgrenze von Mülheim und Duisburg. Dort hat Pawelczyk 2006 seinen Wohnsitz angemeldet.
90 Prozent sind Dauercamper
Tatsächlich findet auf dem idyllisch im Wald gelegenen Campingplatz ein ganzes Dorf Platz. „Im Sommer sind bis zu 2600 Menschen hier”, sagt Geschäftsführer Erhard Fischer. 90 Prozent davon seien Dauercamper, die zum Beispiel jedes Wochenende kämen oder sogar dort gemeldet seien. Sie sind auf den 700 Dauerstellplätzen zu Hause – in Wohnwagen oder Mobilheimen. Dazu bietet der Platz noch 80 Touristikstellplätze für Caravane oder Zelte.
Das alles rechnet sich: „Campingplätze wie unserer machen rund eine Million Euro Umsatz im Jahr”, so Fischer. Tendenz steigend, denn die Campingwirtschaft gehört zu den Wachstumsbranchen in Deutschland. So wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vergangenes Jahr 23 Millionen Übernachtungen von Touristikcampern auf den rund 3600 deutschen Campingplätzen gezählt – ein Plus von knapp fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Diese Zahlen sind aber nicht mal die halbe Wahrheit. Denn sie erfassen nicht die Dauercamper, da deren Aufenthalte nicht meldepflichtig sind. Der Deutsche Tourismusverband (DTV) ist aber in einer Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass im Jahr 2004 Dauercamper 73 Millionen Mal auf Campingplätzen übernachtet hätten. Neuere Zahlen liegen nicht vor.
Campingplatz mit Abend-Animation
Nach Ansicht von Viktoria Groß, Sprecherin des Deutschen Camping-Clubs (DCC), wird Camping in Deutschland noch an Beliebtheit gewinnen. „Camping ist eine preiswerte Alternative zu Pauschalreisen”, sagt sie. Nicht nur das: Viele deutsche Campingplatz-Betreiber böten nun ein Unterhaltungs-Programm an, das eines guten Mittelklassehotels an der spanischen Küste würdig sei. „Da gibt es oft Abend-Animation, Kinderbetreuung, Sportmöglichkeiten wie eine Indoor-Kletterwand oder einen Schnupper-Golfkurs, manchmal ein Hallenbad oder sogar Wellness-Angebote.”
Groß betont, dass auch die Ausstattung der Plätze besser geworden sei. So sind nach DCC-Angaben 85 Prozent aller Campingplätze in NRW mit drei Sternen oder mehr ausgezeichnet. Dennoch seien die Kosten dort eher niedrig: „Für eine Übernachtung im Wohnwagen zahlt man in Deutschland im Schnitt nur 20 bis 30 Euro für vier Personen.”
Zehn Milliarden Euro Umsatz
Damit erzielt die deutsche Campingwirtschaft einen Milliarden-Umsatz. Laut der DTV-Studie gaben Camper 2004 knapp zehn Milliarden Euro für Übernachtungen, Fahrtkosten und Campingausrüstung aus. Dazu kommen noch gut fünf Milliarden für Caravane und Reisemobile.
Besonders die Dauercamper greifen tief in die Tasche. So kosten Mobilheime schnell einige zehntausend Euro, für den Stellplatz müssen die Dauergäste etwa Am Entenfang jedes Jahr 11,70 Euro pro Quadratmeter berappen. Bei einer Parzellengröße von 100 bis 150 Quadratmetern kommen 1170 bis 1755 Euro zusammen – ohne Nebenkosten.
Viele Dauercamper
Der Präsident des Bundesverbandes der Campingwirtschaft, Gunter Riechey, beziffert die Zahl der Dauercamper in Deutschland auch auf gut 50 Prozent. In manchen Bundesländern liege der Anteil wegen „gewachsener Strukturen” noch höher. „In NRW sind es sogar 80 Prozent der Camper.”
"Ich ziehe hier nicht mehr weg"
Wie Klaus Pawelczyk, der Am Entenfang auf 50 Quadratmetern Wohnfläche mit seiner Lebensgefährtin und der Katze lebt. „Das ist hier wie Urlaub. Direkt im Grünen an der Sechs-Seen-Platte. Die Leute sind alle freundlich, nicht so mies gelaunt wie in der Stadt”, sagt er und räumt ein, dass das Wohnen für ihn als Arbeitslosen dort billiger sei. Doch auch mit einem Job würde er seine Zelte nicht abbrechen. „Selbst wenn ich wieder Arbeit finden würde, ziehe ich hier nicht mehr weg.”
Auch Hannelore Künstner (71) und ihr Mann Ferdinand (77) sind Am Entenfang heimisch geworden. Sie haben sogar ein Klavier in ihrem Heim. „Wir sind seit 35 Jahren hier. Auch für unsere Enkelkinder, die hier gefahrlos spielen können, ist es ein Paradies”, sagen sie. Außerdem schätzt das Eherpaar, dass alles auf dem eingezäunten Campingplatz so sicher ist. Das bestätigt Geschäftsführer Erhard Fischer: „Hier lassen die Leute ihre Türen auf. Der letzte Diebstahl liegt zwölf Jahre zurück.”