Hilfsorganisationen erinnern an die menschenunwürdigen Zustände in vielen Ländern, die dazu führen, dass Hunderte Millionen Kinder als billige Arbeitskraft ausgebeutet werden

HEUTE IST DER TAG GEGEN KINDERARBEITEssen. Es ist die Armut, die Eltern immer wieder dazu treibt, ihre Kinder fortzuschicken oder wegzugeben, Armut, aus der das Unvermögen resultiert, die Kinderschar zu ernähren. Hinzu kommen falsche Versprechungen, Gutgläubigkeit, mitunter auch Gleichgültigkeit. Letztlich geht es um das schnelle Geld: das die Kinder verdienen sollen, das die Vermittler verdienen wollen, das Eltern zu sparen hoffen.

Doch in den großen Städten, oft im Ausland, versumpft ein Großteil der Kinder in der Sklaverei, in der Prostitution, viele werden Opfer von Kinderhandel und Schuldknechtschaft: 126 Millionen Kinder zwischen fünf und 17 Jahren arbeiten unter Bedingungen, die für die Gesundheit, Sicherheit oder die Sittlichkeit von Kindern schädlich sind, schätzt die Internationale Arbeitsorganisation (IAO).

Mit Menschenrechten, mit Kinderrechten gar haben die Lebens- und Arbeitsbedingungen vieler Minderjähriger gar nichts zu tun, wie das Beispiel Haiti zeigt: Die Kindernothilfe nennt die Zahl von zehn Prozent aller fünf- bis 17-jährigen Kinder, die als Sklaven in Privathaushalten leben müssen - absolut rechtlos, abhängig und ausgeliefert. Selbst wenn sie noch klein sind, müssen sie putzen, waschen, oft 16-Stunden am Tag, Prügel sind an der Tagesordnung und sexueller Missbrauch; viele sind HIV-infiziert. "Restavèks" nennen die Haitianer diese Kinder, das ist die Ableitung vom französischen "rester avec", was verharmlosend so viel bedeutet wie "bei jemandem bleiben".

Geld sehen die Kinder nicht, bezahlt werden nur die Vermittlerinnen - und zwar von den "Gastfamilien". Jährlich bringen Schleuserbanden 2000 Kinder von Haiti in das benachbarte Urlaubsparadies Dominikanische Republik, wo sie als Haussklaven und Arbeitskräfte für die Landwirtschaft verkauft werden.

Doch es ist nicht nur diese besonders krasse Form des Kinderhandels, unter der Minderjährige weltweit zu leiden haben. In Indien, Afrika und Lateinamerika schuften Millionen von Kindern in Steinbrüchen, Bergwerken und in der Landwirtschaft. Oft leiden sie unter schweren Verletzungen wie gebrochenen Armen und Beinen, Verbrennungen, Blindheit, Taubheit, Atemnot, Kopf- oder Magenschmerzen.

Und oft sterben sie früh, werden höchstens 38, wenn sie etwa als Kind in indischen Steinbrüchen täglich den ohrenbetäubenden Lärm aushalten müssen, der von den Felswänden hallt. Oder den Staub, der das Atmen zur Qual macht, der die Augen verklebt, die Lungen verstopft. Wenn sie barfuß und ohne Mundschutz Steine bearbeiten müssen.

100 Millionen Kinderarbeiter gibt es allein in Indien, schätzt die Internationale Arbeitsorganisation. Wenn sie in Exportsteinbrüchen arbeiten, verdienen sie - wenigstens - etwa 80 Cent am Tag. Noch schlimmer ergeht es den Kindern, wenn sie für den heimischen Markt Steine klopfen. Denn oft haben sich ihre Eltern Geld vom Besitzer geliehen und - weil sie Analphabeten sind - die weit überzogenen Schuldscheine mit ihrem Daumenabdruck bestätigt. Zahlen können sie nur noch mit der Arbeitkraft ihrer Kinder: Das ist Schuldknechtschaft, die moderne Form der Sklaverei. Sie ist in Indien - offiziell - verboten, ebenso wie die Kinderarbeit. Die IAO aber schätzt, dass sieben Prozent der indischen Bevölkerung in Sklavenarbeit lebt, ohne eigenes Einkommen.

Beispiel Sambia: Dort hat Aids den Druck auf die Kinder verschärft - weil viele Eltern erkranken und sterben, müssen vor allem die älteren Geschwister als Lastenträger arbeiten, müssen rund um die Uhr Lebensmittel verkaufen, müssen kellnern und sexuelle Übergriffe ertragen. Die Übergänge zur Prostitution sind fließend, beschreibt die Kindernothilfe die Zustände vor Ort. Für Schulbesuche gebe es keine Zeit mehr.

Wie immer, wenn Kinder ausgebeutet werden. Die Folge: Die Heranwachsenden haben mangels Bildung keine Chance, der Armut zu entkommen. Weshalb Hilfsorganisationen bei ihren zahlreichen Projekten vor Ort zwar versuchen, die Kinder aus der ausbeuterischen Arbeit/Versklavung herauszuholen. In erster Linie geht es aber darum, ihnen den Schulbesuch zu ermöglichen.

Kompromisse sind dabei nötig, wie das Beispiel Haiti zeigt, wo die Kindernothilfe ausgebeuteten Minderjährigen hilft. 300 "Resavèks" gehen inzwischen zur Schule - obwohl sie noch bei ihrem Arbeitgeber leben.Die Übergänge zur Prostitution sind fließendHaussklaven im tropischen Urlaubsparadies