Essen.. Mehr als 30.000 Patienten sterben Experten zufolge pro Jahr in Kliniken nach Infektionen mit multiresistenten Keimen. Auch Matthias Sammer kämpfte 1997 nach einer Routine-OP am Knie um sein Leben. Erst das letzte Antibiotikum schlug an. Jetzt erzählt er seine Geschichte - um aufzurütteln.
Auf dem Fußballplatz hat Matthias Sammer fast alles gewonnen. Bis ihn ein Keim aus dem Spiel nahm: MRSA. Jetzt sprach der Sportvorstand des FC Bayern München darüber, dass sein Leben damals am seidenen Faden hing. Es gab nur noch ein Antibiotikum, das ihm helfen konnte. Hätte es versagt – Matthias Sammer wäre wohl gestorben.
Europas Fußballer des Jahres und Europameister 1996, mehrfacher Deutscher Meister, DFB-Pokalsieger, Champions-League-Sieger mit dem BVB: „Gegen Sammer habt ihr keine Chance“, sang die Dortmunder Südtribüne, wenn der Ausnahmespieler gut drauf war. Bis 1997. Bis der brutalste Gegner in sein Leben grätschte. Sammer sah ihn nicht kommen. Die Ärzte auch nicht.
Im Zuge der Recherche-Kooperation der Funke Mediengruppe mit der Wochenzeitschrift „Die Zeit“, "Zeit Online" und dem Recherchebüro Correctiv zum Thema „Tödliche Keime“ sprach Sammer jetzt mit der „Zeit“ über die Geschichte seines Überlebens.
Fieber nach der Knie-OP - die Ärzte sind ratlos
1997, Martin-Luther-Krankenhaus, Berlin: Nach einer Knie-OP korrigiert der Operateur eine Falte in der Schleimhaut. Danach darf der Fußballstar wieder nach Hause. Doch nach ein paar Stunden kann er kaum noch laufen. Sein Knie schmerzt. Es wird dick. Sammer bekommt Fieber. Die Ärzte sind ratlos. Eine solche Infektion haben sie noch nicht gesehen. Woher die kommt? Keine Idee.
Sammer muss ins Krankenhaus. In einer Dortmunder Klinik kämpft er bald um sein Leben. Wie es um ihn steht, weiß er damals selbst nicht „Die Ärzte haben schwierige Gespräche mit meiner Frau geführt. Erst viel später hat sie mir davon erzählt. Alle Alternativen waren grauenhaft. Dass es wieder richtig gut wird, war die allerkleinste Möglichkeit.“
MRSA-Keime fressen sich durch seinen Körper
Die MRSA-Keime fressen sich durch seinen Körper. Ein Antibiotikum nach dem anderen versagt. Die letzte Patrone ist das allerletzte Antibiotikum. Daran hängt Sammers Leben. Und das Mittel wirkt. Es rettet ihn. Die aktive Laufbahn ist vorbei, mit 30 Jahren. Aber er lebt.
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Bis heute ist Sammer gehandicapt. Joggen? Undenkbar. Auch ein Trainer-Job scheint heute undenkbar – zwei Stunden auf dem Trainingsplatz, das könnte Probleme bereiten.
„Ich will keine Schlagzeilen“, sagt Sammer
Aber Sammer klagt nicht. Der Sportchef des FC Bayern schätzt, was er hat. „Mein Lebenskompass ist der Alltag mit meiner Familie und ein Leben mit dem Fußball. Das ist mein Glück. Dafür bin ich sehr dankbar.“
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Matthias Sammer ist jetzt 47 Jahre alt. Sein Anliegen ist es, dass mehr über Keiminfektionen gesprochen wird. Weil sie Leben auslöschen können. „Es war dieses allerletzte Antibiotikum, was mich gerettet hat. Ich will keine Schlagzeilen produzieren, das ist das Letzte, was ich will“, sagte Sammer der „Zeit“. „Aber ich rede mit Ihnen, weil ich aufrütteln will. Vielleicht kann man damit anderen Menschen helfen.“