Essen. . Ein Wort oder ein Handschlag reicht, etwa den Kauf eines Autos zu besiegeln. Alles muss schriftlich sein? Müssen muss es nicht. Auch nicht bei Arbeitsverträgen. Bei Verträgen gibt es einige Rechtsirrtümer, die man sich klarmachen sollte.

"Ich hab ja nichts unterschrieben". Wer glaubt, damit auf der sicheren Seite, kann bei einem Vertrag falsch liegen - und das kann teuer werden. Ob Autokauf, Arbeits- oder Mietvertrag: Beim Thema Verträge halte sich so manche Rechtsirrtümer.

1) Ein Vertrag muss immer schriftlich sein? Falsch!

"Man muss sich immer bewusst sein, dass man im Kaufrecht bis auf wenige Ausnahmen auch mündlich einen Vertrag besiegeln kann", sagt Carolin Semmler, Juristin bei der Verbraucherzentrale NRW. "Rechtlich macht es dabei keinen Unterschied, ob man ein Brötchen kauft oder eben zum Beispiel ein Auto".

Wer einem Autohändler - womöglich vor Zeugen - leichtfertig den Kauf eines Wagens mündlich zusagt, das Wort dann später zurückzieht, kann dennoch vor Gericht schlechte Karten haben, wenn der Händler auf Abnahme des Autos drängt. Selbst wenn man nichts unterschrieben hat.

Freilich: der Händler muss im Streitfall die mündliche Zusagen vor Gericht beweisen können, "und das ist meist schwierig". Dennoch mahnt Semmler in solchen Fällen zur Vorsicht. Anders ist die Lage etwa bei Immobilien: Dort muss ein Vertrag schriftlich besiegelt werden, und das mit Notar-Siegel.

2) Alles, was ich kaufe, kann ich auch wieder umtauschen? Falsch!

Weihnachten ist nah - und zwischen den Jahren ist Umtauschzeit. Doch als Kunde kann man dabei Pech haben. Denn bei Händlern ist es vielfach eine Kulanzfrage, ob sie einwandfreie Waren tatsächlich zurücknehmen. Vorgeschrieben ist das nicht, sagt Carolin Semmler: "Es gibt kein gesetzliches Umtauschrecht".

Das kann für Kunden äußerst teuer werden, wie im Falle eines Teppichkaufs, den Semmler schildert: "Für 4000 Euro hatte ein Kunde einen Teppich gekauft und erst zuhause gesehen, dass der doch nicht in sein Heim passt. Doch das Möbelhaus weigerte sich, den Teppich zurückzunehmen - leider zu Recht".

Der Kunde hätte vorher mit dem Möbelhaus klären müssen, ob das einen Umtausch ermöglicht. Wenn ein Geschäft jedoch ein Umtauschrecht einräumt, z.B. durch Aushänge im Geschäft oder Hinweise auf den Kassenbons, muss es sich auch daran halten.

Anders als im Geschäft, gilt im Online-Verkauf ein "14-tägiges Widerrufsrecht". Die Kunden können dem Onlinehändler die Ware zurückschicken. Ohne Gründe zu nennen. Das aber gilt nur bei Geschäften im "Fernabsatz", nicht im Geschäft. Semmler rät dort: "Kunden sollten beim Einkauf etwa von Textilien oder Elektrogeräten im Geschäft klären: Kann ich die Waren umtauschen? Und: zu welchen Bedingungen nimmt der Händler die Ware zurück? Händlern steht es zum Beispiel frei, ob sie das Geld bei Rückgabe auszahlen oder einen Einkaufsgutschein ausstellen.

3) Kinder können keine Verträge abschließen? Können sie!

Rechtlich ist man bis zum 18. Lebensjahr "Kind". Während man mit Blick auf das Strafrecht ab dem 14. Geburtstag strafmündig ist, beginnt die Geschäftsfähigkeit bei Kindern bereits ab Vollendung des 7. Lebensjahrs. "Bis zum 7. Geburtstag sind Kinder nicht geschäftsfähig. Danach sind sie "beschränkt geschäftsfähig" - bis sie volljährig sind, erklärt Carolin Semmler.

Eltern - oder die "gesetzlichen Vertreter" - können 7-Jährige also z.B.zum Brötchenholen schicken. Schleppt das Kind dabei jedoch die halbe Bäckerei nach Hause - "das sah alles so lecker aus!" - hängt es an den Eltern, "ob der Vertrag wirksam wirkt". Semmler weist zusätzlich auf den "Taschengeldparagraf" im Kaufrecht hin, der im Paragraf 110 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zu finden ist: "Wenn ein Minderjähriger einen Kaufvertrag abschließt und die Ware mit einem Geldbetrag bezahlt, der ihm von den Eltern zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung überlassen wurde, dann kann der Vertrag von Anfang an wirksam sein.

Eine Zustimmung der Eltern ist dann nicht mehr nötig". Semmler weist darauf hin: "Wichtig ist jedoch, dass die Leistung bewirkt, also bezahlt sein muss. Der Minderjährige kann also zum Beispiel mit seinem Taschengeld keine Ratenzahlungskäufe wirksam abschließen.“

4) Wenn ein Arbeitsvertrag nicht schriftlich vorliegt, existiert er nicht? Falsch!

Ein Handschlag und der Satz "Sie sind eingestellt": Auch bei Arbeitsverträgen gilt, dass eine mündliche Abmachung ein rechtskräftiger Vertrag ist. "Das ist gar nicht mal so selten", sagt Maja Klingner, Juristin bei der Rechtsschutz GmbH des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in Düsseldorf.

In Handwerksbetrieben etwa kommt es vor, dass Beschäftigte bereits seit Jahren oder gar seit Jahrzehnten dort beschäftigt sind, ohne einen Arbeitsvertrag schriftlich vorliegen zu haben. Das kann problematisch sein, etwa wenn man plötzlich vor der Kündigung steht bzw. es über Vertragsinhalte geht, die nun streitig sind. Beim DGB empfielt man Arbeitnehmern deshalb, sich im Fall des Falles vom Arbeitgeber auch nachträglich einen Vertrag aushändigen zu lassen.

Maja Klingner: "Jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf Feststellung der Grundsäulen des Beschäftigungsverhältnisses". So steht es im "Nachweisgesetz".

5) Der Arbeitgeber kann mich nicht bei Krankheit oder im Urlaub kündigen? Doch, er kann!

"Das ist ein häufiger Rechtsirrtum", sagt die DGB-Juristin Maja Klingner: "Auch wenn ein Arbeitnehmer krank ist, kann er gekündigt werden". Ausnahme sei, wenn die Kündigung "zur Unzeit" komme, also etwa wenn der Beschäftigte zum Beispiel im Koma liege. Doch auch während eines längeren Urlaubs sind Arbeitnehmer nicht vor Kündigung sicher, sagt Maja Klingner: "Beschäftigte haben deshalb dafür zu sorgen, dass bei Abwesenheit immer jemand einen Blick in den Briefkasten zuhause wirft".

Eine Kündigung per Mail ist nicht wirksam, liegt sie schriftlich im Briefkasten ist sie es. "Wenn man innerhalb von drei Wochen Frist nach Zustellung nicht Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erhebt, ist die Kündigung rechtskräftig". Egal, ob die Gründe dafür stichhaltig sind, sagt die DGB-Juristin. Was tun, wenn man auf einer Fernreise davon erfährt? Die Klage entweder per Fax ans zuständige Arbeitsgericht schicken. Oder einem Nahestehenden eine schriftliche Vollmacht erteilen, damit diese Person die Klage bei Gericht einreicht.

6) Eine mündliche Kündigung ist wirksam? Nein!

"Eine Kündigung muss schriftlich erfolgen", sagt DGB-Juristin Maja Klingner. Dies regelt Paragraf 623 BGB eindeutig. Allerdings sollten Arbeitnehmer auch im Falle einer mündlichen Kündigung rasch reagieren, rät Klingner: "Wenn sowas passiert, sollte man beim Arbeitsgericht eine Feststellungsklage erheben, um so richterlich feststellen zu lassen, dass das Arbeitsverhältnnis noch besteht."

Folgt die Kündigung daraufhin schriftlich, heißt es Kündigungsschutzklage erheben. Generell gilt, sagt Klingner: "Wenn man einen Kündigung nicht angreift, wird sie rechtskräftig, auch wenn sie inhaltlich nicht gerechtfertig ist".

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7) Bei einer Kündigung steht Arbeitnehmern eine Abfindung zu? Nein.

Bei Top-Managern liest man immer wieder, dass Unternehmen auch bei Misserfolg hohe Abfindungen zahlen. Und der normale Arbeitnehmer? "Hat keinen Anspruch auf eine Abfindung", sagt Maja Klingner. Im deutschen Arbeitsrecht findet sich dazu keine Rechtsgrundlage. Klingner: "Man darf nach 40 Jahren Schufterei im Job mit Null Euro nach Hause geschickt werden".

Ausnahmen nennt das Betriebsverfassungsgesetz. Wenn ein Unternehmen etwa in Notlage ist, eine größere Zahl von Mitarbeitern vor der Kündigung stehen und es einen Betriebsrat gibt, der einen Sozialplan aushandelt. Auch steht es Arbeitgebern natürlich frei, von sich aus Mitarbeitern Abfindungen anzubieten.

Das Kündigungsschutzgesetz regelt in § 1a, dass der Arbeitnehmer dann Anspruch auf eine Abfindung hat, wenn der Arbeitgeber eine solche bereits im Kündigungsschreiben angeboten hat und der Arbeitnehmer deshalb auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet. Und: man kann es bei der Einstellung versuchen auszuhandeln. So, wie das bei Top-Managern läuft.

8) Was im Mietvertrag steht, gilt auch? Falsch!

Von ganz bestimmten, persönlich zwischen den Vertragspartnern ausgehandelten Regelungen abgesehen sind Mietvertragsklauseln sogenannte "allgemeine Geschäftsbestimmungen", erklärt Aichard Hoffmann, Sprecher vom Mieterverein Bochum. Diese sind nach dem Gesetz (BGB § 305 ff) ungültig, soweit sie überraschend oder mehrdeutig sind oder den Vertragsnehmer - also den Mieter - unangemessen benachteiligen.

  • Beispiel 1: Der Vermieter beschränkt seine Heizpflicht auf "die vom Mieter hauptsächlich genutzten Räume".
  • Beispiel 2: Der Vermieter versucht, dass Mietminderungsrecht bei Wohnungsmängeln einzuschränken.

"Es gibt in sehr vielen Mietverträgen ungültige Klauseln", sagt Hoffmann. Der Vertrag als ganzes wird deswegen nicht unwirksam. Aber an die Stelle der unwirksamen Klausel tritt die gesetzliche Regelung - "und nicht etwa eine Regelung, die dem Willen des Vermieters am nächsten käme und gültig wäre".

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9) Ein Mieter kann jederzeit ausziehen, wenn er drei zumutbare Nachmieter benennt? Falsch!

"Ein Mieter mit einem normalen, unbefristeten Mietvertrag kann jederzeit ohne Angabe von Gründen mit Drei-Monats-Frist kündigen", sagt Aichard Hoffmann vom Mieterverein Bochum. Will der Mieter schneller ausziehen, kann er mit dem Vermieter einen sogenannten "Mietaufhebungsvertrag" abschließen.

Hoffmann: "Darin steht, dass sich die Vertragspartner darüber einig sind, dass der Vertrag ohne Rücksicht auf Formen und Fristen zum Zeitpunkt X endet". Der Vermieter kann sich darauf einlassen, muss es aber nicht. Natürlich kann der Vermieter sein Einverständnis von Bedingungen abhängig machen - zum Beispiel davon, dass der Mieter einen zumutbaren Nachmieter stellt. Nur dann, wenn beides der Fall ist (der Vermieter hat einen Mietaufhebungsvertrag abgeschlossen + darin steht die Nachmieterklausel), nur dann muss der Vermieter spätestens den dritten zumutbaren Nachmieter akzeptieren.

10) Wird eine Wohnung verkauft, hat der Mieter immer ein Vorkaufsrecht? Nein!

"Das Vorkaufsrecht besteht nur, wenn eine Mietwohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt wurde und dann zum ersten mal verkauft werden soll. Es bedeutet auch nicht, dass der Verkäufer nicht mit Dritten verhandeln darf. Es bedeutet nur: Wenn der Verkäufer einen Kaufvertrag mit einem Dritten abgeschlossen hat, hat der Mieter zwei Monate lang das Recht, zu gleichen Konditionen (also auch zum gleichen Preis) in diesen Kaufvertrag anstelle des Dritten einzusteigen."

Über Preis und Konditionen verhandeln kann der Mieter aber nicht. Nichtsdestotrotz bieten viele Verkäufer die Wohnung zuerst dem Mieter an, oft sogar zu einem - vermeintlichen oder tatsächlichen - Vorzugspreis. Aber das ist freiwillig.

"Ein Mietshaus kann als Mietshaus beliebig oft verkauft werden, solange es eine Grundbuchakte hat, passiert nichts, außer, dass immer der neue Eigentümer eingetragen wird, der dann aber immer das ganze Haus erwirbt", sagt Aichard Hoffmann. Alles, was in einer Grundbuchakte steht, kann auch immer nur einen Eigentümer haben.

Wird ein Mehrfamilienhaus jedoch "umgewandelt", wird "Teileigentum" begründet. Es werden dann für alle Wohnungen getrennte Grundbuchakten angelegt, und erst dann können die einzelnen Wohnungen verschiedene Eigentümer bekommen. Also: Ein Eigentümer kauft zum Beispiel ein Zehn-Parteien-Haus und wandelt um. Er ist dann Eigentümer von zehn Eigentumswohnungen. Diese kann er nun einzeln verkaufen. "Und bei diesem ersten Verkauf nach erfolgter Umwandlung wird das Vorkaufsrecht ausgelöst. Danach können die Wohnungen noch beliebig oft verkauft werden, ohne dass dies solche Folgen hat".

Übrigens: Der Erstverkauf nach Umwandlung löst auch die Kündigungssperrfrist aus, das heißt "ein Mieter muss keine Angst haben, wenn er die Wohnung nicht erwirbt, dass ihn der neue Eigentümer sofort kündigen kann" - wegen "Eigenbedarf" oder "Hinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung".

Auch diese Sperrfrist tritt am Tage des ersten Verkaufs nach erfolgter Umwandlung in Kraft, sagt Aichard Hoffmann: Das BGB gewährt dem Mieter mindestens noch den Schutz, für drei weitere Jahre in der Wohnung zu bleiben. Laut Bürgerlichem Gesetzbuch können die Bundesländer diese Frist auf bis zu zehn Jahre heraufsetzen, erklärt Aichard Hoffmann.

In NRW gelten aktuell verschiedene Fristen, je nach Wohnort. So hat die rot-grüne Landesregierung in der "Kündigungssperrfristverordnung" für NRW aus dem Jahr 2012 festgelegt, dass für Köln, Bonn, Düsseldorf und Münster 8 Jahre vorgesehen sind, für 33 weitere Kommunen (darunter im Ruhrgebiet nur Dortmund, Hattingen, Waltrop und Bottrop) 5 Jahre. Für Metropolen und Unistädte wie Essen, Duisburg, Bochum etc. gelten nur die 3 Jahre Frist, die vom Gesetzgeber für notwendig erachtet werden.

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