Essen. Wo darf überhaupt geblitzt werden? Und wer muss im Zweifel zahlen? Wir räumen auf mit zehn großen Blitzer-Irrtümern.

1) Blitzer dürfen direkt hinter einem Tempolimit stehen.

Nein, die Polizei muss sich beim Aufstellen von dauerhaft installierten oder mobilen Blitzgeräten an bestimmte Regeln halten. So dürfen Blitzer beispielsweise nicht direkt hinter Orts- oder Geschwindigkeitsbegrenzungs-Schildern stehen.

In NRW gibt es keine präzise Angabe, wie nah am Schild geblitzt werden darf. Der TÜV Nord empfiehlt eine Distanz von 150 Metern, in anderen Ländern gelten Vorgaben zwischen 75 und 200 Metern. Generell müssen Autofahrer ihre Geschwindigkeit so wählen, dass sie das Tempolimit ab dem Schild einhalten können.

2) Im Zweifel muss der Halter zahlen.

Nein, das stimmt nicht. Eine sogenannte "Halterhaftung" gibt es in Deutschland nicht, anders als in vielen anderen Ländern. Die Polizei muss dem Halter des Fahrzeugs also nachweisen, dass er zur Tatzeit selbst am Steuer gesessen hat.

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Allerdings kann ein Richter dem Halter auferlegen, künftig ein Fahrtenbuch zu führen, wenn sich der Fahrer nicht ermitteln lässt. So geschehen bei einem Vater von Zwillingen, der sich nicht in der Lage sah, auf dem Sünder-Foto einen seiner Söhne eindeutig zu identifizieren (Verwaltungsgericht Minden, AZ: 2 K 1957/12).

3) Radarwarner fürs Navi sind verboten.

Hier wird es spitzfindig: Ob als App fürs Smartphone oder als vorinstalliertes Feature im Navigationsgerät: Der Erwerb von Radarwarnern ist in Deutschland zulässig. Nicht erlaubt ist hingegen, funktionstüchtige Radarwarner im Auto dabeizuhaben.

Wer erwischt wird, zahlt mindestens 75 Euro. Zudem darf die Polizei das Navi mit der verbotenen Funktion einkassieren. Entsprechende Apps müssen vor den Augen der Polizisten gelöscht werden.

4) CDs am Innenspiegel reflektieren, so dass der Fahrer auf dem Foto nicht zu erkennen ist.

Wer nach Tricks sucht, um Radarfallen zu täuschen, landet schnell bei der CD am Innenspiegel. Angeblich so, die Theorie, soll sie den Fotoblitz reflektieren. Die einfachere Variante, die auch ein Paar Babyschuhe oder eine Mini-Discokugel erfüllen könnte: Das Gesicht des Fahrers wird durch das Innenraum-Accessoire verdeckt, was die Identifizierung des Verkehrssünders verhindern soll.

Die Polizei bestreitet die Wirksamkeit beider Theorien: Um tatsächlich den Blitz zu reflektieren, müsste die CD genau im richtigen Winkel zum Blitzer baumeln - in einem beweglichen Auto kaum umsetzbar. Und das verdeckte Gesicht: "Irgendeinen Teil des Gesichts sehen wir immer", heißt es bei der Polizei. Meistens reiche das aus, um den Fahrer zu erkennen, zur Not halt per Passbildabgleich.

5) Die Polizei muss dem Verkehrssünder das Foto zuschicken.

Falsch. Auch wenn es in einigen Dienststellen dazugehört, dass die Sünder ihr Foto zusammen mit dem Bußgeldbescheid zugeschickt bekommen, gibt es keinen Anspruch darauf.

Wer das Foto als Erinnerungsstück haben möchte, kann es mit einem Anruf bei der zuständigen Dienststelle verssuchen. Gegen das Versprechen, sich künftig an die Verkehrsregeln zu halten, lassen sich die Beamten vielleicht erweichen.

6) Es ist aussichtslos, Einspruch gegen ein Blitzer-Bußgeld einzulegen.

Das stimmt nicht. Auf Verkehrsrecht spezialisierte Anwälte raten sogar dazu, sich in fast jedem Fall, gegen den Bußgeldbescheid zu wehren. Denn viele Messungen seien fehlerhaft oder zumindest nicht gerichtsfest.

So muss beispielsweise jeder Polizist, der Geschwindigkeitsmessungen vornimmt, nachweisen können, dass er an einer entsprechenden Schulung teilgenommen hat. Außerdem funktionieren die Messgeräte nicht immer präzise, einige erlauben sich etwa bei Kälte Ungenauigkeiten, was der Belangte vor Gericht für sich geltend machen kann.

7) Kreuzungen heben Geschwindigkeitsbegrenzungen immer auf.

Grundsätzlich stimmt das: Das Tempolimit-Schild muss wiederholt werden, damit auf die Straße einbiegende Verkehrsteilnehmer Bescheid wissen. Doch das Fehlen eines Schildes ist keine Erlaubnis zum Gasgeben. Das Oberlandesgericht wies den Einspruch eines Autofahrers ab, der in einer solchen Situation beschleunigt hatte - und prompt geblitzt worden war.

Die Richter entschieden: Mit einem Einspruch gegen einen aus einer solchen Situation resultierenden Bußgeldbescheid habe nur eine Chance, wer aus der Einmündung auf die Straße mit dem Tempolimit einbiegt. Denn er kann in der Tat nicht wissen, dass dort ein Tempolimit gilt.

8) Vom Blitz-Tempo werden immer drei Stundenkilometer als Fehlertoleranz abgezogen.

Die Realität ist ein wenig komplizierter und hängt unter anderem von der Messmethode ab. Bei ortsfesten Anlagen ("Starenkästen") werden von der ermittelten Geschwindigkeit in der Tat drei Stundenkilometer abgezogen - solange diese unter 100 Stundenkilometern liegt. Bei höherem Tempo beträgt der Toleranzwert drei Prozent der Geschwindigkeit.

Bei mobilen Mess-Stationen gelten andere Werte, insbesondere bei Messungen aus einem fahrenden Fahrzeug heraus müssen bis zu 20 Prozent der ermittelten Geschwindigkeit abgezogen werden.

9) Autofahrer dürfen entgegenkommenden Verkehr mit der Lichthupe vor Blitzern warnen.

Für viele ist es eine "gute Tat", wenn sie entgegenkommende Fahrzeuge durch Aufblenden auf Geschwindigkeitskontrollen aufmerksam machen. Indes: Erlaubt ist es nicht.

Die Straßenverkehrsordnung erlaubt den Einsatz der Lichthupe nur im Falle einer Gefährdung zu - eine Radarfalle gehört nicht dazu. Wer dagegen verstößt, riskiert ein Bußgeld.

10) Innerorts darf die Polizei nur an Gefahrenstellen blitzen.

Das stimmt inzwischen nicht mehr. Verkehrsminister Michael Groschek hat die Freiräume der Kommunen bei der Aufstellung von Blitzern deutlich erweitert: Seit 2013 dürfen sie dort kontrollieren, wo sie wollen, und nicht mehr, wie zuvor, nur an Gefahrenstellen wie Schulen oder Altenheimen.

Kritiker bemängeln die neue Regelung. Sie fürchten, die Kommunen würden nun eher an Ausfallstraßen kontrollieren, wovon sie sich hohe Einnahmen versprechen, als an tatsächlichen Unfallschwerpunkten.