Essen. Karneval nicht zu mögen ist so billig wie Witze über den Papst zu machen. In beiden Fällen hilft es, möglichst wenig Ahnung vom Thema zu haben. Deshalb hier: Drei Thesen zum Thema Karneval - wer sie gelesen hat, darf dann von mir aus auch dagegen sein.
Karneval kann man lieben, muss man aber nicht, das gleich vorneweg. Was die fünfte Jahreszeit angeht, habe ich keinerlei missionarischen Eifer. Nur, weil ich zu einer In-Group gehöre, die weiß, wer Willi Ostermann war und wie der nicht jugendfreie Refrain von „Viva Colonia“ geht, heißt das nicht, dass sich da irgendjemand anderes auch nur für interessieren muss.
Insofern könnte hier eigentlich auch Ende des Textes sein. Keiner zwingt irgendwen zum Feiern, und bis auf wenige Tage im Jahr kann man dem Singen und Geschunkel trefflich ausweichen. Wer nicht mitschunkeln will, kann in den Club gehen, tanzen, eine Runde Skat spielen mit Freunden oder was immer ihm sonst so das Leben erhellt.
Dass es zu dem Thema dann doch noch etwas zu sagen gibt, liegt an den Karnevalsgegnern, die jahrjährlich laut verkünden, wie schlimm das doch alles ist. Das Fröhlichsein auf Kommando, die Partymucke, die ganzen Besoffskis. Dazu drei Thesen:
1. Das, was viele kennen und hassen, ist bestenfalls Synthetik-Karneval: Eine willkürlich gewählte Feierei, irgendwo zwischen Ü-30-Party und Loveparade. Ein Anlass, den Kneipenbesitzer und Partyveranstalter nutzen wie Floristen den Valentinstag, um neue Konsumanreize zu setzen. Betrinken in Rekordzeit in irgendeiner Stadthalle zu Musik von Bernd „Drei Haare auf der Brust“ Stelter hat mit wahrem Karneval so viel zu tun wie Panik-Geschenkeinkäufe am 23. Dezember mit dem Stern, der vor 2000 Jahren über einem Stall in Bethlehem geleuchtet hat.
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2. Karneval ist eine Frage des Naturells. Wir Rheinländer sind nun mal tendenziell Menschen, die sich morgens beim Brötchenholen schnell noch über den eingewachsenen Zehnnagel der Bäckereifachverkäuferin informieren und mit einer gleichwertigen Information aus dem eigenen Privatleben dagegenhalten. Wir sind nicht fröhlich auf Kommando, sondern qua Sozialisation. Wer gemütstechnisch eher schweigsam-westfälisch angelegt ist, mag sich im Karneval fehl am Platz fühlen. Da hilft nur ausprobieren, und wenn es keinen Spaß macht: sein lassen.
3. Karneval gehört auf die Straße. Schließlich geht es dem Ursprung nach um Subversion, um „Wir sind das Volk“, um die Kritik an den Autoritäten. Ja, auch um Spontan-Verbrüderung, Mitgrölen und Mittrinken, aber eben nicht als Alleininhalt. Ein wahrer Karnevalist kann auch ohne Alkohol fröhlich sein. Ein Nicht-Jeck oft nicht mal mit.
Soweit die drei Punkte. Es hätte locker für elf gereicht, aber ich möchte niemandem auf die Nerven gehen. Wir Karnevalisten sind ein tolerantes Völkchen. Nehmt euch ein Beispiel.
Katrin Scheib ist schon bei diversen Karnevalszügen mitmarschiert. Nach einer Vergangenheit als Indianerin, Unfallopfer, Rotkäppchen und Cowgirl ist sie heute Chefin vom Dienst bei DerWesten.
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