München. Am dritten Verhandlungstag des NSU-Prozesses stellt sich so langsam der Alltag unter den anwesenden Journalisten ein.

Es ist der dritte Verhandlungstag in München. Heute stehen weitere Anträge an, nachdem der Vorsitzende Richter Manfred Götzl gestern durchgesetzt hatte, dass die Anklageschrift verlesen wird - entgegen der Erwartungen der meisten Journalisten, den Vertretern der Verteidigung und der Nebenklage. Gestern gingen viele Kollegen davon aus, heute bereits wieder auf der Rückreise zu ihren Redaktionen zu sein. Kaum einer rechnete damit, dass es in dieser Woche mehr als einen Verhandlungstag geben würde. Das kann auch heute wieder passieren. Noch können weitere Anträge gestellt werden, noch kann das bedeuten, dass die Verhandlung ausgesetzt und erst im nächsten Monat fortgesetzt wird.

Vor dem OLG-Gebäude räkeln sich Journalisten in der Sonne. Es ist kurz nach 9 Uhr. Gerade sind die gepanzerten Wagen, in denen die Angeklagten sitzen, mit maskierten SEKs am Steuer durch den Hintereingang gerauscht. Es ist nur noch eine Handvoll Journalisten da. Für ein paar Fotos von den Polizeibeamten. Der Konvoi ist oft genug abgelichtet worden. Die martialischen Männer mit den Gesichtsmasken geben gute Bilder ab und man bekommt sie nicht oft zu sehen, sagt mir ein Kollege. Durch die abgedunkelten Scheiben sind die Angeklagten Wohlleben und Zschäpe ohnehin kaum zu erkennen.

Die Gebäude neben dem Parkhaus des Gerichts stehen leer. Ob sie extra für den Prozess geräumt wurden, kann ein Gerichtssprecher auf meine Anfrage nicht beantworten. Sind die Bewohner ausquartiert worden? Aus Gründen der Sicherheit? Es ist Randgeplänkel. Aber Geschichten wie diese könnten in Zukunft interessant werden, wenn sich Alltag im NSU-Prozess eingestellt haben wird. Und der wird sich einstellen, da sind sich die Kollegen von der Presse sicher.

Nachdem die Anwälte der Verteidigung gestern noch etwas kamerascheu waren und ohne Statement in Richtung Gerichtssaal davonzogen, ließen sie sich heute zu einer kurzen Stellungnahme bewegen. Es kommt Bewegung in diverse Kamerateams, als sie einige Anwälte der Verteidigung erkennen. Sie umringen die Anwälte, schieben ihre Kameralinsen an den Schultern der anderen Journalisten vorbei.

Nach der Mittagspause gehe ich für einige Stunden auf die Zuschauertribüne. Zuerst muss ich ein paar Minuten warten, dann werde ich zur Sicherheitskontrolle durchgewunken. Bis auf die Leibesvisitation ist es die gleiche, die ich schon vom übrigen Gerichtssaal kenne.
Noch ist Pause. Ich bekomme einen Platz in der letzten Reihe. Ein paar Jurastudenten sitzen neben mir, die sich Notizen machen. Die Ränge sind voll, Journalisten transpirieren im Schein ihrer Monitore. Dann geht die Verhandlung weiter.

Angeklagte, Anwälte und Richter betreten den Saal. Zschäpe ist von meinem Platz aus kaum zu sehen, Wohlleben sehe ich gar nicht. Sie wirkt klein neben ihren Anwälten, die mit geradem Rücken den Worten des Richters zuhören. André E. wirkt unwirklich kalt und steinern mit der dunklen Sonnenbrille und dem Vollbart.

Es geht so weiter, wie es die ersten sechs Stunden am Dienstag vor der Verlesung der Anklageschrift zuging: Ein Antrag, eine Unterbrechung. Die Verteidigung hat ihren Vorrat an Anträgen offenbar über Nacht aufmunitioniert. Ob die Anträge den dritten und vielleicht auch den vierten Prozesstag in Anspruch nehmen werden, ist noch nicht klar. Bis 16 Uhr stellen sie weitere drei Anträge. Insgesamt fordern sie erneut die Aussetzung des Verfahrens. Das würde eine Verzögerung um etwa drei Wochen bedeuten.