Essen.. Der frühere SPD-Politiker Wolfgang Clement schlägt sich im Wahlkampf auf die Seite von FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner. In einem Thesenpapier fordern beide eine „vernunftgeleitete Industriepolitik“. Am Dienstag stellten beide das Papier in Essen vor.

Christian Lindner weiß, wie man als Wahlkämpfer im Gespräch bleibt. Als Kronzeugen der Anklage gegen die rot-grüne Industriepolitik in NRW hat der Liberale den früheren Ministerpräsidenden Wolfgang Clement gewonnen. Der Mitbegründer der Agenda 2010 nutzt die Bühne in der mit 600 Gästen überfüllten Essener Philharmonie zur Attacke auf grüne Blockaden industrieller Großprojekte. „Teile der politischen Elite haben die Industrie aus den Augen verloren“, mahnt der „Sozialdemokrat ohne Parteibuch“. Clement beklagt, dass die Grünen die verbreitete Wachstumsskepsis politisch unterstützten.

Clements Wahlkampfhilfe für Lindner löst bei der SPD, die er 2008 im Zorn verließ, Kopfschütteln aus. Schließlich hatte der heutige RWE-Lobbyist Hannelore Kraft 2000 selbst als Wissenschaftsministerin berufen. Jetzt kämpft Clement für seinen einstigen Gegner. Der 33-jährige Lindner und der 38 Jahre ältere Clement schätzen sich.

Im Wahlkampf will Lindner ehemalige Clement- und Merz-Wähler zur FDP locken. Der Liberale setzt auf die alte sozial-liberale Tradition – Vorrang für Arbeitsplätze. Der gestoppte Weiterbau des Kohlekraftwerks Datteln wird für Lindner zum Symbolthema für ideologische Blockaden.

Beide verbindet eine tiefe Abneidung gegen die Grünen

In einem gemeinsamen energie- und industriepolitischen Papier plädiert das ungleiche Duo Clement-Lindner für einen wirtschaftsfreundlichen Kurs. Die Protagonisten tauschen Freundlichkeiten aus, beide verbindet eine tiefe Abneigung gegen die Grünen. Clement nennt Lindner einen „politischen Kopf und überzeugten Marktwirtschafter“. Lindner dankt Clement für dessen Courage, vor der wichtigen NRW-Landtagswahl für ein neues Denken in der Politik zu werben.

Clement nimmt den Ball auf: „Die Politik muss endlich sagen, was die Stunde geschlagen hat.“ Schulden und demografischer Wandel erzwingen aus Sicht des Ex-Superminister einen grundlegenden Bewusstseinswandel und neuen Ehrgeiz. Clement berichtet von leidvollen Streitereien in seiner rot-grünen Regierungszeit in NRW und Berlin.

Lindner nutzt den Wahlkampf für Angriffe auf Rot-Grün (“Strom aus der Steckdose“) und CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen (“Die CDU hat aufgegeben, eine Alternative zu Rot-Grün sein zu wollen“).

Clement wettert gegen die Energiewende

Der frühere Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), SMS-Chef Heinrich Weiss, beklagt eine verteilungsorientierte Politik nach dem Zeitgeist. Im TV-Duell Kraft/Röttgen sei weitgehend über Sozialpolitik debattiert worden. Kein Wort über Probleme der Wirtschaft.

Clement läuft beim Thema Energiewende heiß und kritisiert die „grotesken“ Subventionen für die Photovoltaik. „Dabei haben wir die Sonneneinstrahlung von Alaska“, tobt der Energiemanager. Als Clement die Enteignung der Energiekonzerne bei Atomkraftwerken kritisiert, bleibt die Reaktion im Saal verhalten.

Das politische Duett drängt auf eine frühe Bürgerbeteiligung bei der Planung von Großprojekten. „Wir können so nicht weitermachen“, fordert der von der FDP als „Liberaler im Herzen“ gefeierte Clement. Kaum noch ein Politiker vor Ort traue sich, eine umstrittene Straße gegen Widerstände durchzusetzen. „Das gilt längst nicht mehr nur für grüne Politiker.“ Einmütig verlangt die Polit-Allianz Clement-Lindner mehr Vernunft in der Politik. „Über Probleme reden wir dann, wenn Sie nach der Wahl im Amt sind“, gibt Clement seinem liberalen Mitstreiter Flankenschutz.