Berlin.. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe spricht im Interview über den Mindestlohn, seinen Friseur-Preis und über das Verhältnis der Christdemokraten zu den Gewerkschaften. Gleichzeitig stellt er klare Forderungen an die FDP als Koalitionspartner.
Nach der Unions-internen Einigung auf Mindestlöhne steigt der Druck auf die FDP. Zugleich buhlen die Christdemokraten um die Gewerkschaften. Zum Tag der Arbeit sprachen wir mit Hermann Gröhe über Mindestlöhne, Lohnuntergrenzen und Wortklaubereien.
Herr Gröhe, was bezahlen Sie beim Friseur?
Hermann Gröhe: 23,50 Euro.
Der Berufsstand hat den Ruf, einer der schlechter bezahlten Jobs zu sein. Nimmt man als Politiker unfaire Arbeitsverhältnisse wahr?
Gröhe: Wir haben insgesamt eine tolle Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Zugleich ist mir bewusst, dass es auch bedenkliche Entwicklungen gibt, um die sich der Staat kümmern muss.
Wie bedenklich?
Gröhe: Zunächst einmal haben wir bereits viel erreicht. Alle Branchen-Mindestlöhne kamen in der Regierungszeit von CDU-Kanzlern zustande. Rot-Grün hingegen hat nichts zu Wege gebracht. Allerdings gibt es immer mehr Arbeitsplätze, für die kein Tarifvertrag gilt. Dort müssen wir durch eine verbindliche Untergrenze Lohndumping verhindern. Dass in Deutschland über eine Million Menschen für weniger als fünf Euro Stundenlohn arbeiten, muss ein Ende haben. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit.
Stimmt der Satz, dass jeder von seiner Arbeit leben soll?
Gröhe: Jedenfalls sollte er in der Lage sein, für sich selbst zu sorgen. Ich gebe zu: Wenn sie eine Familie ernähren wollen, dann würde man schnell bei Stundenlöhnen von 13 Euro oder mehr landen. Viele Tätigkeiten würden unrentabel, unbezahlbar werden, noch wahrscheinlicher: in die Schwarzarbeit wandern. Bei gering bezahlten Jobs erhalten daher Familien zu Recht Wohngeld, Kindergeldzuschlag und andere staatliche Hilfen.
Meist reden Sie von einer Lohnuntergrenze, andere vom „Mindestlohn“. Streiten die Parteien um Wörter?
Gröhe: Wir wollen mit dem Begriff deutlich machen, dass es kein politischer Mindestlohn ist. Nicht der Staat, sondern die Tarifpartner sollen in einer Kommission die Höhe festlegen.
Aber nicht überall gelten die Tarifverträge. Brauchen wir einen allgemeinen Mindestlohn?
Wir brauchen eine verbindliche Lohnuntergrenze für Arbeitsverhältnisse, für die kein Tarifvertrag gilt. Hier sollen künftig die Tarifparteien für eine Auffanglinie sorgen, bei Bedarf mit Differenzierungen.
War die Einigung der CDU auf Mindestlöhne wichtig für die Wahlkämpfer?
Gröhe: Eine wirtschaftlich vernünftige und sozial verträgliche Lösung ist wichtig für die CDU als Volkspartei. Jetzt gilt es, die FDP zu überzeugen.
Gröhe erwartet "Signal der sozialen Verantwortung" von der FDP
FDP-Chef Philipp Rösler ist eher skeptisch. Was erwarten Sie gerade von der NRW-FDP?
Gröhe: Die FDP sollte sich unseren Vorschlag genau ansehen, ihn nicht reflexartig ablehnen. Von der NRW-FDP erwarte ich ein Signal der sozialen Verantwortung -- zumal unser Vorschlag bei der Lohnfindung gerade nicht auf den Staat, sondern auf die Tarifpartner setzt.
Will die CDU eine Partei der kleinen Leute werden?
Gröhe: Wir sind eine Partei auch der kleinen Leute. Sonst wären wir nicht seit Jahrzehnten so erfolgreich. Dass die CDU nur die höheren Einkommen vertritt, ist eine böse Karikatur. Unsere Politik zielt auf Vollbeschäftigung, gute Bildungschancen für alle, auf sozialen Aufstieg.
Norbert Blüm sich als Malocher im Arbeitsministerium. Wofür steht Ursula von der Leyen?
Gröhe: Sie steht für ein sozial verantwortlich handelndes Bürgertum. Versuche, die CDU von Angela Merkel als Partei der sozialen Kälte zu verunglimpfen, sind doch auch in den Augen von Gewerkschaftlern absurd. Wir brüllen keine Basta-Parolen wie SPD-Kanzler Schröder. Wir haben zu den Gewerkschaften wie zu den Arbeitgebern einen sehr guten Kontakt.
Trotz Ihrer Umarmungsstrategie mahnen die Gewerkschaften zum 1. Mai Mindestlöhne an.
Gröhe: Wir sind viel näher beieinander als manche Parolen vermuten lassen. Ich kann die Gewerkschaften nur einladen, gemeinsam Lohndumping zu beenden und nicht der Blockadehaltung der SPD zu folgen.