Gelsenkirchen. . Der Chef der Ruhr-SPD, Frank Baranowski, übt schon vor der NRW-Neuwahl Druck auf die künftigen Regierungsparteien aus: Die Interessen der Ruhrgebietsstädte müssten in den Koalitionsvertrag einfließen.

Der Gelsenkirchener Oberbürgermeister und Chef der Ruhr-SPD, Frank Baranowski, sieht in der Neuwahl eine Chance für das Ruhrgebiet. In einem neuen Koalitionsvertrag müsste das Revier besonders berücksichtigt werden, sagte Baranowski im Gespräch mit DerWesten.

Herr Baranowski, was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie vom Ende der Koalition erfuhren?

Frank Baranowski: Zuerst habe ich gedacht: Es kann doch nicht sein, dass keiner wusste, was es heißt, wenn ein Haushaltsentwurf in zweiter Lesung nicht beschlossen wird. Aber dann fand ich die Konsequenz absolut richtig: Es muss gewählt werden. Denn eine Hängepartie ohne Haushalt geht natürlich gar nicht.

Aber das Politikmodell „Minderheitsregierung“ ist krachend gescheitert, oder?

Baranowski: Dieser Minderheitsregierung hätten viele zu Beginn nicht einmal ein halbes Jahr vorausgesagt. Nun hat sie fast zwei Jahre gehalten. Eigentlich war immer klar, dass es irgendwann eine größere Auseinandersetzung geben wird und dass die Regierung wohl nicht fünf volle Jahre halten würde. Eine Landtagswahl zum jetzigen Zeitpunkt ist auf jeden Fall besser als eine nach der Bundestagswahl.

Kann man den Bürgern denn eine Neuwahl zumuten? Die Wahlbeteiligung war beim letzten Mal schon gering.

Baranowski: Eine Hängepartie, eine Regierung, die keine Entscheidung mehr treffen kann, würde beim Wähler genauso wenig ankommen. Es ist klar, dass es so nicht weiter geht, es gibt keine Alternative.

Wie gut ist die SPD auf Neuwahlen vorbereitet?

Baranowski: Nicht besser und nicht schlechter als die anderen Parteien. Es ist eine Herausforderung, weil nicht viel Zeit bleibt, um den Wahlkampf zu organisieren. Aber die SPD hat nach fünf Jahren Rüttgers gemerkt, dass es gut ist zu regieren. Wir haben gelernt, was Franz Müntefering mit „Opposition ist Mist“ gemeint hat. Also ist jedem klar, worum es geht.

Welche Konsequenzen haben Neuwahlen für das Ruhrgebiet?

Baranowski: Bis sich ein neuer Landtag konstituiert hat, wird leider nicht mehr viel praktische Politik gemacht werden. Das hat Auswirkungen auf das Revier. Nehmen wir die Diskussion über die Factory Outlet Center (FOC). Wir sind alle davon ausgegangen, dass sich das Kabinett damit befassen und dass der Landtag in Kürze einen neuen Landesentwicklungsplan beschließen wird, um die FOC zu verhindern. Das wird nun so schnell nicht passieren. Da wird kostbare Zeit verloren. Bei den Kommunalfinanzen wird sich vorerst auch nichts tun, obwohl es da Nachbesserungsbedarf gibt.

Gibt es Chancen, das Ruhrgebiet stärker in einen Koalitionsvertrag einzubringen?

Baranowski: Ja. Wir im Ruhrgebiet müssen nun noch einmal klar sagen, was wir von einer neuen Landesregierung erwarten. Wir erwarten, dass der Landesentwicklungsplan schnell beschlossen wird, wir brauchen Investitionen in Straßen- und Schienen, die armen Städte brauchen Auswege aus der Verschuldung, und wir brauchen ein klares Bekenntnis der Landesregierung beim Thema Solidarpakt/Aufbau Ost.

Allein die Stadt Gelsenkirchen nimmt jedes Jahr zehn Millionen Euro Kredite auf für den Ausbau-Ost. Das erhöht unsere Schulden. Das verhindert Investitionen in Straßen, Schulen, öffentliche Gebäude. Der Solidarpakt läuft zwar bis 2019 , aber ich erwarte, dass es schon vorher Veränderungen gibt. Dass die Städte im Ruhrgebiet an einer anderen Stelle entlastet werden. Zum Beispiel bei den Förderprogrammen des Bundes. Eine neue Landesregierung sollte sich dafür im Bundesrat einsetzen. Unsere Interessen müssen in den Koalitionsvertrag einfließen.