London. . Dieser Kurs lässt Kleinmädchenträume wahr werden: In einem „Prinzessinnen-Bootcamp“ bringt ausgerechnet eine Amerikanerin jungen Engländerinnen bei, wie man sich als Adelige benimmt.

Mädels, packt die Tiara ein: Es geht ab nach England ins Prinzessinnen-Bootcamp! In den Sommerferien trainiert Adelsfan Jerramy Fine erstmals kleine Möchtegern-Middletons in Manieren und Haltung. Egal, wie abscheulich manche Briten den Cinderella-Drill finden: Die 3000 Euro teuren Luxuskurse der Amerikanerin sind bereits ausgebucht.

Wo sich sonst teure Stiletto-Absätze in weiche Teppiche bohren, Ladies in Perlen und Twin-Sets zu ihrem Lunch-Verbredung durch altehrwürdige Hallen eilen und Tratsch mit gehobenen Augenbrauen quittieren, weht an diesem Morgen ein anderer Wind. Es ist eine Mischung aus Schule und Märchen, aus Pippi Langstrumpf und Mary Poppins, die sich im noblen Londoner „Duke’s Hotel“ breit macht: Ein Dutzend kleiner Damen stürmt die Räume für ein besonderes Seminar – den „Prinzessinnen-Schnupperkurs“.

Krönchen tragen für einen Tag

Für die Acht- bis Elfjährigen werden damit alle Kleinmädchen-Träume wahr: Einen Tag lang tragen sie ein glitzerndes Krönchen, lernen, wie man einen ordentlichen Knicks vor der Queen und eine tadellose Figur beim englischen Nachmittagstee macht. „Nicht durch den Tee rühren“, weist Jerramy Fine, perfekt frisierter Drill-Sergeant im Blaublut-Bootcamp an, „sondern den Löffel von 12 Uhr mittags nach 18 Uhr abends in der Tasse bewegen. Ich will nicht hören, dass ihr beim Rühren ans Porzellan stößt.“ Andächtig verteilen die Mädchen die Milch im Tee, halbieren das Gebäck und sagen so liebenswürdig „Bitte“ und „Danke“, wie es sich selbst kühne Eltern nicht erträumen würden.

Vivienne Bartels, deren Tiara nach den Übungen zum würdevollen Schreiten schon ein wenig mitgenommen aussieht, ist begeistert: „Ich bin hier, weil Prinzessinnen sooo hübsch aussehen“, sagt sie. Und Maude, deren Eltern aus Wisconsin stammen und in London arbeiten, nimmt eine besondere Lektion aus dem Schnupperkurs mit nach Hause: „Früher war ich oft schüchtern, heute fühle ich mich wie eine richtige Prinzessin.“

Alternative zum Baumbudenbauen

Dreimal je eine Woche bietet Jerramy Fine Kindern den Kurs im Sommer an. „Es soll ein Ferienspaß sein, an dem ich selber gern teilgenommen hätte - etwas Eleganteres und Intellektuelleres als das übliche Zelten und Baumbudenbauen“, sagt die 33-Jährige. Ihr eigener Traum war es immer, einen Prinzen zu heiraten. „Andere schwärmten für Rockstars“, gesteht sie, „ich war in den Sohn von Prinzessin Anne verliebt.“ Sie schlug die Erziehung ihrer radikalen Hippie-Eltern in den Wind, zog zum Studium von Colorado nach Großbritannien und fand Zugang zur Upper Class. Ihr Wissen ist dank der anstehenden Adelshochzeit gefragter denn je: Zwei der drei Kurse sind bereits restlos ausgebucht. Fine pflegt Wartelisten und will expandieren: „Mich fragen immer wieder Mütter, wann ich ein Prinzessinnen-Bootcamp für Erwachsene einrichte. Warum eigentlich nicht?“

Doch die Idee, Mädchen auf Märchenprinzessin zu schulen, findet nicht jeder amüsant. Ausgerechnet die britische Presse, die mit Kate Middleton kräftig Kasse macht, attackiert Jerramy Fine. Sie zementiere ein altbackenes Frauen-Image, motzen manche. Und fragen spitz, ob ein Bootcamp für Mini-Managerinnen oder Nachwuchs-Nobelpreisträger nicht vielleicht nötiger wäre.

Höflich und anmutig

„Manieren machen selbstbewusst“: Kate Middleton weiß schon ziemlich gut, wie man sich als Prinzessin benimmt. (Foto: ap/dapd)
„Manieren machen selbstbewusst“: Kate Middleton weiß schon ziemlich gut, wie man sich als Prinzessin benimmt. (Foto: ap/dapd) © AP/Peter Morrison

„Kritiker haben die Idee dieses Sommercamps, ja, das Leben ihrer eigenen Royals schlicht nicht verstanden“, erwidert Fine, deren Contenance ob der Häme erste, feine Risse zeigt. „Modernes Prinzessinnentum besteht eben nicht nur aus tollen Roben und teuren Diamanten“, sagt sie, „echte Royals nehmen sich zurück, stellen die Pflicht an erste Stelle, engagieren sich ehrenamtlich.“ Sie möchte, dass die Mädchen lernen, ihre höfliche, anmutige und diskrete Seite zu kultivieren. „Wir ziehen hier keine Prinzen-Jäger oder Goldgräberinnen heran“, so Fine, „sondern bringen ihnen bei, wie man mit jedermann und überall auf der Welt Freundschaft schließt. Manieren helfen und machen selbstbewusst – ob in der Unterstufe oder beim Besuch der Oma.“

Dass es nicht nur in Disney-Filmen, sondern im echten Leben Prinzessinnen aus Fleisch und Blut gebe, motiviere die Mädchen, ihr Bestes zu geben. „Noch vor 50 Jahren konnte man nur ins Königshaus einheiraten, wenn man jungfräulich war und zum europäischen Adel gehörte“, sagt Fine, „heute steht der Weg allen Mädchen offen.“ Der spanische Thronfolger habe eine Journalistin, der norwegische Prinz eine geschiedene Mutter und der dänische eine unbekannte Australierin geheiratet. Briten, die nichts mehr verachten als gesellschaftliche Emporkömmlinge, mögen das Gesicht verziehen, aber Fine will den Mädchen eine „innere Prinzessin“ mit auf den Weg geben: „Ihr könnt alles erreichen, wenn ihr hart dafür arbeitet.“ Bleibt nur zu hoffen, dass den jungen Damen während ihres Palast-Praktikums nicht Paris Hilton über den Weg läuft.