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Sie sind auf dem digitalen Kreuzzug: Die Hacker-Gruppe "Anonymous", die die Webseiten von Wikileaks-Gegnern lahmlegt, kündigte am Donnerstag neue Cyber-Attacken an. Die Schlacht sei noch nicht vorbei. Ihre bisherigen Opfer sind Visa und Mastercard.

„Anonymous“ (Anonym), so nennt sich die Hacker-Gruppe, die seit Dienstag die Webseiten von Wikileaks-Gegnern lahmlegt. Zu ihren virtuellen Opfern gehören die Portale von Mastercard und Visa, die für mehrere Stunden nicht erreichbar waren. Sie hatten Wikileaks nach der Festnahme von Assange die Unterstützung entzogen. Jetzt drohte ein Sprecher der Hacker, der sich dem britischen Sender BBC als "Coldblood" (kaltblütig) zu erkennen gab, weitere Cyber-Attacken auf Gegner der Enthüllungsplattform an. "Die Schlacht ist noch nicht vorbei", sagte der Mann. Auch in einem Online-Chat hatte "Anonymous" verkündet, jeder mit einer „Anti-Wikileaks-Agenda ist in unserem Angriffsbereich“.

Laut "Coldblood" verzeichne die Hacker-Gruppe einen stetigen Zulauf von Unterstützern. "Immer mehr Leute helfen uns." Die Mitgliederzahl habe rund 4000 erreicht. Sie würden in aller Welt via Internet „rekrutiert“, unter anderem im sozialen Netzwerk Facebook und über den Kurznachrichtendienst Twitter, teilte "Anonymous" mit. Immer mehr Internetnutzer laden sich demnach eine Software herunter, mit der Server angegriffen werden können und beteiligen sich an sogenannten Botnetzen, bei denen die geballte Rechenkraft von tausenden Computern für Angriffe auf Internetseiten genutzt werden kann. Eigenen Aussagen zufolge wolle die Gruppe "das Internet offen und frei für alle halten, so wie es immer war."

Twitter-Account gesperrt

Wie Spiegel-online berichtet werden die Aktionen von "Anonymous" offenbar über den Twitter-Account @Anon_operation koordiniert. Hinter diesem soll eine informelle Gruppierung stehen, die ihre Wurzeln im Netzwerk der berüchtigten Hackerplattform 4Chan hat. Dieses Forum gilt als Wiege der Anonymous-Bewegung, die immer wieder mit Protestaktionen im Netz auf sich aufmerksam gemacht hat. Twitter hat den Account mittlerweile gesperrt – und damit den in der Twitter-Community schon länger gärenden Zensur-Verdacht genährt.

Der Cyber-Angriff der Gruppe auf „Mastercard“ ist Teil des größer angelegten Rachefeldzugs „Operation Payback“. Bei dem haben es die Assange-Jünger vor allem auf jene Finanzunternehmen abgesehen, die Wikileaks nach der Festnahme ihres Gründers die Unterstützung entzogen hatten. „Mastercard“ hatte am Dienstag die Überweisung von Spenden an Wikileaks gestoppt.

Auch die Finanzunternehmen Visa und Paypal, die Wikileaks ebenfalls Serviceleistungen verweigern, wurden von Hackern attackiert. Visa.com ist seit Mittwochabend um 22 Uhr nicht mehr aufrufbar. „Anonymous“ hatte kurz zuvor in dem Kurzbotschaftenportal Twitter das Startsignal für den Cyber-Angriff gegeben. Mastercard und Visa hatten alle Kreditkartenzahlungen an Wikileaks eingestellt, das sich über Spenden finanziert. Wegen der Zahlungsblockade will der für Wikileaks tätige Finanzdienstleister Data Cell jetzt die beiden Kreditkartenriesen verklagen, wie die Firma in einer Erklärung mitteilte. Data-Cell-Chef Andreas Fink sagte, er wolle die Kreditkartenanbieter in London vor Gericht ziehen. "Es ist einfach lächerlich zu denken, Wikileaks habe irgendetwas Kriminelles getan", schrieb Fink. Der Online-Zahlungs-Dienstleister PayPal kündigte unterdessen an, das Konto einer Stiftung, die Wikileaks unterstützt, wieder freizugeben.

Ebenfalls ein Opfer von Hacker-Attacken ist die Schweizer Postbank „Postfinance“, die am Montagabend das Konto von Assange gesperrt hatte. Postfinance hat den Angriff mittlerweile bestätigt. Die Website sei weiter Ziel von Hacker-Angriffen, die den Server massenhaft mit sinnlosen Anfragen bombardieren, um sie zu blockieren. Die Angriffe auf „Mastercard“ verliefen nach demselben Schema. Experten sprechen von einer sogenannten Denial-of-Service-Attacke, bei der ein Webserver durch eine nicht zu bewältigende Masse zeitgleicher Datenanforderungen lahmgelegt wird.

Auch Seite der schwedischen Regierung gehackt

Erfolgreich waren auch die Angriffe auf die Website der schwedischen Staatsanwaltschaft, die am Dienstag zeitweise lahmgelegt worden war. Hintergrund: Assange war aufgrund eines schwedischen Haftbefehls gesucht worden. Am Dienstag hatte er sich in London Interpol gestellt und war inhaftiert worden. Nach der Verhaftung wegen Vergewaltigungs-Vorwürfen griffen Hacker auch die Internetseite und das E-Mail-System des schwedischen Anwalts Claes Borgström an, der die beiden Klägerinnen vertritt.

In der Nacht zum Donnerstag ist offenbar auch die Website der schwedischen Regierung vorübergehend lahmgelegt worden. Wie die Zeitung "Aftonbladet" berichtete, war die Internetseite einige Stunden lang offline, funktionierte am Morgen aber wieder normal. Auf einer von Hackern eingerichteten Website mit dem Namen der schwedischen Justizministerin Beatrice Ask wurden Internet-Nutzer auf die Wikileaks-Seite umgeleitet. Ein schwedischer Regierungssprecher wollte die Angaben auf Anfrage nicht kommentieren.

Auch die Internetseite der früheren republikanischen Präsidentschaftskandidatin Sarah Palin war vorübergehend blockiert, dem Sender ABC News zufolge waren auch die Kreditkartenkonten von Palin und ihrem Mann betroffen. Palin hatte Assange unter anderem als "anti-amerikanischen Agenten" bezeichnet, "der Blut an den Händen hat". Auch die Webseite des US-Senators Joe Lieberman geriet ins Visier von Cyber-Angreifern. Er hatte an Unternehmen appelliert, ihre technische Unterstützung für Wikileaks einzustellen.

Noch mehr Dokumente veröffentlicht

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich am Mittwoch in Berlin unbeeindruckt zu den Beurteilungen deutscher Spitzenpolitiker in den US-Depeschen. Sie sagte, dass ein großer Teil dessen, „das wir hier über uns in Deutschland erfahren haben, Bestandteil einer jeden besseren Party“ sei.

Ungeachtet der Verhaftung von Assange publizierte Wikileaks am Mittwoch weiter geheime US-Dokumente. Wikileaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson bekräftigte die Standfestigkeit des Enthüllungsportals. „Wir lassen uns keinen Maulkorb verpassen, weder durch rechtliche Schritte noch durch gemeinschaftliche Zensur.“ Assange bekam seinerseits Unterstützung durch den britisch-australischen Staranwalt Geoffrey Robertson, der ihn vertreten will. Unterstützung erhält Assange auch in der Internet-Community Facebook: Eine Gruppe, die sich für seine Freilassung einsetzt, hat mittlerweile über eine Million Mitglieder.