Essen/Washington. .

Der Chef der Internet-Plattform Wikileaks wird von mehreren Behörden quer über den Globus gejagt. Aber was hat er falsch gemacht?

Sein Name ist in aller Munde, Julian Assange selbst aber ist verschwunden. Körperlich nicht fassbar. Wie so oft in den letzten Jahren, in denen er meist nur über das Internet Kontakt zur realen Welt gehalten hat. Weil er sich immer verfolgt fühlt. In diesen Tagen sogar zu Recht.

Denn seit dem jüngsten Wikileaks-Coup wird er förmlich gejagt. Dabei ist nicht einmal klar, wie sich Assange strafbar gemacht hat. Oder ob überhaupt. Schließlich hat er die rund 250 000 Kommunikationsprotokolle, die nach und nach veröffentlicht werden sollen, nicht gestohlen oder stehlen lassen. Eigentlich hilft er nur dabei, die nicht als „Top Secret” eingestuften Dokumente ins Netz zu stellen. Weil er schon seit seiner Teenagerzeit der Meinung ist: „Alle Informationen sind frei.“

„Gefahr für nationale Sicherheit“

US-Politiker und Behörden sehen das erwartungsgemäß anders, wissen aber bisher offenbar nicht, wie sie juristisch vorgehen können. Deshalb greifen sie zu juristischen Klimmzügen. So fordert etwa der designierte Vorsitzende des Homeland Security Committee, Peter King, die US-Regierung solle untersuchen, „ob Wikileaks zu einer ausländischen terroristischen Organisation erklärt werden kann“, weil sie eine „Gefahr für die nationale Sicherheit” sei.

Mehr noch. Man solle den „Espionage Act”, ein Anti-Spionage-Gesetz, anwenden und Assange festnehmen, fordert King weiter. Unterstützung erhält der Politiker aus Assanges Heimat Australien. Sein Land werde alle rechtlichen Schritte der USA gegen Wikileaks unterstützen, beteuert Australiens Justizminister Robert McClelland. In Schweden sind sie schon einen Schritt weiter. Dort wird Assange per Haftbefehl gesucht. Allerdings nicht wegen Geheimnisverrats, sondern wegen des Verdachts der Vergewaltigung. Er bestreitet das, spricht von einer Verschwörung.

Festnahme würde wenig ändern

Dabei würde selbst seine Festnahme wenig ändern. Denn zumindest technisch funktioniert seine Plattform längst ohne ihn. Einfach abschalten oder löschen, wie US-Senatoren immer wieder fordern, lässt sie sich nämlich nicht. Schon weil die Seiten auf ausländischen Servern gelagert sind, deren Betreiber sich herzlich wenig dafür interessieren, was amerikanische Senatoren fordern. Außerdem ist das System so geschickt gesichert, dass es bisher offenbar von keinem Geheimdienst geknackt werden konnte.

Wohl auch deshalb hat die US-Regierung jetzt die Daten-Vorschriften für Regierungsbehörden verschärft. „Warum muss ein 23-jähriger Gefreiter wissen, was Saudi-Arabiens König über den Iran denkt?“, fragt Joel Brenner, der frühere Chef der US-Spionageabwehr.

Das Pentagon und das Weiße Haus haben nun neue Sicherheitsrichtlinien herausgegeben. Künftig soll der Zugang zu sensiblen Informationen auch wieder strenger hierarchisch geregelt werden. Jeder soll nur noch lesen dürfen, was er für seinen Job wirklich braucht. Bislang haben etwa drei Millionen Offizielle Zugang zu dem Netzwerk, das nach außen abgeschottet, aber offenkundig nicht genügend gegen Sabotage von innen geschützt ist.

Viele Puzzleteile

Informationen breit zu teilen, war zuvor politisch gewollt. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 hatte sich gezeigt, dass die diversen Sicherheitsbehörden zwar Infos über einen bevorstehenden Anschlag hatten. Doch weil sie ihre Erkenntnisse nicht teilten, ließen sich die Puzzlestücke nicht zu einem schlüssigen Bild formen. Eine Alternative sehen Experten darin, weit mehr Dossiers als bislang mit der höchsten Geheimhaltungsstufe zu versehen. Das würde den Kreis der Nutzer einschränken, da Dokumente mit dem „top-secret“-Stempel über andere Kanäle versandt werden.