Witten. . Auf dem zugefrorenen Freibadwasser übte die Feuerwehr, Menschen aus Eis zu retten. Die Retter und „Opfer“ tragen allerdings Kälteschutzanzüge.

  • Einbrüche ins Eis werden wegen der milden Witterung immer seltener. Trotzdem muss die Feuerwehr trainieren
  • An zwei Fälle erinnern sich die Wehrleute, unter anderem starb in den 90er Jahren ein Mann in der Ruhr
  • Geübt wird im Freibad Annen, in dessen Becken zurzeit eine zehn Zentimeter dicke Eisschicht schwimmt

Selten war es in den letzten Jahren so kalt wie in diesem Winter, das selbst die Wittener Gewässer gefrieren. Und immer seltener werden auch Eis-Einbrüche. „Trotzdem müssen wir wissen, wie wir jemandem aus Eis retten können“, sagt Feuerwehrsprecher Uli Gehrke. Darum übte die Berufsfeuerwehr gestern Eisrettung – und zwar im Annener Freibad.

Zehn Zentimeter dick ist dort die Eisfläche zurzeit, und damit so stabil, dass sie auch ausgewachsene Männer trägt. Da bricht nichts. Damit die Feuerwehr das Eisretten üben kann, muss sie mit der Motorsäge ein Loch schneiden. 22 Mann nehmen an dem Training teil und jeder ist mal Retter, mal Opfer.

Die Opferrolle ist sogar heiß begehrt, denn dazu darf man einen Kälteschutzanzug tragen, der wasserdicht und gemütlich warm ist. 1000 Euro kostet so ein gelber Vollgummianzug, weiß Einsatzleiter Michael Vogel. Feuerwehrleute auf der ganzen Welt tragen das Modell, die Wittener Feuerwehr besitzt vier.

Ganz in Gelb aufs Eis

Als erstes darf Titus Krämer ganz in Gelb aufs Eis. Er lässt sich ins Wasser gleiten, die Luft im Anzug gibt ihm Auftrieb, so dass er wie ein dickes Michelin-Männchen aus dem Eisloch ragt. Gerettet wird er auf die bekannte Art: mit zwei Leitern schiebt sich sein Kollege übers Eis. Wegen der Gewichtsverteilung! Das Gewicht des Retters wird auf die Fläche verteilt.

Eine Leiter schiebt der Kollege an den Rand des Eislochs, daran kann sich Titus festhalten. Er gleitet aus dem Loch und weil an den Leitern Seile befestigt sind, ziehen die Kollegen vom Beckenrand die beiden heran.

Warum ist das Freibad voller Wasser

Aber warum ist das Freibad im Winter überhaupt randvoll mit Wasser gefüllt? Das ist es, seit die Stadtwerke die Betonbecken mit Edelstahl auskleiden ließen. Früher hat man das Wasser zum Saisonende abgelassen, Feuchtigkeit und Frost setzten dem Beton aber zu.

Die Edelstahlwanne braucht aber den Wasserdruck. So bleibt das Wasser stehen bis April und wird dann erst abgelassen, um das Becken zu putzen und neues Wasser einzulassen. Natürlich, eine Eisdecke dehnt sich aus, das haben wir alle in Physik gelernt. Aber weil die obere Stahlkante abgeschrägt ist, schiebt sich die Eisplatte einfach nach oben und macht nichts kaputt.

Mit zwei Leitern übers Eis

Und da haben Jörg Daniel und Daniel Müller Spaß – und krachen ins Eis.
Und da haben Jörg Daniel und Daniel Müller Spaß – und krachen ins Eis. © Foto: Zabka

Die nächsten Kandidaten, Daniel Müller, Timo Drexelius, Jörg Daniel hüpfen gleich übermütig mit Arschbombe ins Eiswasser. Sie lassen sich mal mit einem „Rettungsball“ (ein Basketball an der Leine) herausziehen, mal mit einer Rettungstrage. „Alles funktioniert, was bei der Gewichtsverteilung hilft. Selbst zwei zusammengeklappte Bierbänke“, erklärt Einsatzleiter Vogel. Das Eisretten lernen die Feuerwehrleute zwar als Theorie in ihrer Ausbildung, praktisch kann man es selten üben. „Zuletzt war das Freibadwasser vor drei Jahren dick genug zugefroren“, sagt Vogel.

Mann starb in der Ruhr bei Herbede

Und wann gab es zuletzt in Witten einen Ernstfall? „Das wird ja immer weniger“, sagt Uli Gehrke, mit Blick auf die milder werdenden Winter. Er könne sich nur noch an zwei Einsätze in den 90er Jahren erinnern: Einmal sei jemand beim Schlittschuhlaufen auf dem Hammerteich eingebrochen, „den haben wir auch ‘rausgekriegt.“

Einen zweiten Fall gab es auf der Ruhr, bei Herbede. „Da war der Hund aufs Eis gelaufen, und sein Herrchen hinterher. Er brach ein, ihn verließen die Kräfte, er rutschte unters Eis und konnte vom Feuerwehrtaucher nur tot geborgen werden. Nur etwa zehn Minuten hätte der Mann im Eiswasse überlebt, erinnert Uli Gehrke daran, wie kurz ein Eingebrochener in dem kalten Wasser überleben kann.

Aus eigener Kraft kann man sich nicht befreien

Wenn man die Feuerwehrleute im Freibadwasser sieht, mag man gar nicht glauben, dass sie sich nicht aus eigener Kraft aus dem Einloch hieven können. „Sobald man sich aufs Eis stemmt, bricht es ein“, erklärt Titus Krämer.

Sei man ufernah, könne man so vielleicht den Eisrand immer weiter einbrechen – als wäre man sein eigener Eisbrecher. „Aber man unterschätzt, wie schnell man die Muskeln nicht mehr bewegen kann“, sagt Michael Vogel, „und wie sehr man unter Adrenalin steht. Und Stress erzeugt Fehlverhalten.“

>> Einbruchsgefahr bei fließenden Gewässern

Strömungen oder ein warmer Zufluss lassen die Eisdicke eines Gewässers stark variieren. Das ist zum Beispiel am Hammerteich (durch die Borbach) oder in der Ruhr so, darum gilt: Diese Flächen darf man nicht betreten!

Michael Vogel nennt die Statistik: 5 cm dickes Eis hält eine Person aus, 8 cm zwei Personen, 12 cm eine ganze Gruppe zum Eislaufen. Ab 18 cm dürfen sogar Autos über das Eis fahren.