Gabriele Voss sitzt vor drei Bildschirmen, einem Tonmischpult mit Dutzenden Reglern und gleitet mit ihren Fingern gekonnt und elegant über eine bunte Tastatur. An diesem Arbeitsplatz schneidet sie Filme. Dokumentarfilme wie „HalbZeit” zum Beispiel, der im Herbst in die Kinos kommt.

Die Filmemacherin aus Witten ist eine von 52 Frauen, die an dem Internationalen Frauentagebuch mitschreiben. Jede Woche beschreibt eine andere Frau ihren Alltag: Studentin, Rentnerin, Hausfrau, Unternehmerin – die Frauen sind so unterschiedlich wie ihre Leben. „Alltag ist ein Gefäß. Es kommt mal dies, mal jenes hinein”, sagt Voss über das Projekt zum Kulturhauptstadtjahr 2010. Sie selbst beginnt am Montag mit den Aufzeichnungen aus ihrem Leben, was ihr nicht schwer fällt. „Ich schreibe sowieso Tagebuch”, so die 60-jährige Künstlerin. Arbeitsnotizen für einen neuen Film, Gedankenfetzen über anregende Begegnungen oder Überlegungen, wie eine filmische Erzählung aussehen könnte, so Voss. Die Frauentagebücher werden natürlich nicht so persönlich wie ihre eigenen, doch versprechen ihre Aufzeichnungen einen spannenden Einblick in den Alltag der Grimme-Preis-Trägerin.

Frauentagebücher

Stadt, Kulturforum und vier Partnerstädte Wittens planen für 2010 das internationale Frauentagebuch „Von Rosa und anderen Tagen”.

Die 52 Lebenswirklichkeiten sollen durch die Aufzeichnungen ein Frauenbild zu Beginn des 21. Jahrhunderts aufzeigen. Das etwa 200 Seiten starke Buch soll in der Wittener Local-Hero-Woche (Start: 21.06.) präsentiert werden.

Ideensuche, Entwicklung der Erzählstruktur, Arbeit am Schneidetisch bis Mitternacht, nervtötende Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten durch Filmstiftungen. Gabriele Voss liebt das Tagebuch-Schreiben, weil es eine „Form ohne Regeln” ist. Im Gegensatz zum „hochkomplexen Medium Film, in dem mit Bild, Ton und Sprache” gearbeitet wird, erklärt Voss.

"HalbZeit"

In ihrem aktuellen Projekt „HalbZeit” begleitete Voss zusammen mit Ehemann Christoph Hübner junge Fußball-Spieler auf dem Weg von der A-Jugend in die 1. Bundesliga. „HalbZeit” ist bereits die Fortsetzung des zweistündigen Doku-Films „Die Champions” (1998-2003).

Außergewöhnliche Sichtweisen

Das Filmemacher-Paar nimmt sich bei seinen Dokumentarfilmen stets außergewöhnliche Erzählarten oder Sichtweisen vor. „Für jede Bilderbuchkarriere in der Bundesliga gibt es Tausende, die mit neun Jahren im Matsch spielen”, erklärt Voss ihre Motivation für „HalbZeit”.

„Einzelne Menschen, in denen sich das Zeitgeschehen widerspiegelt” – diese Lebensgeschichten interessieren Voss und ihren Mann besonders. „Wenn der Flügelschlag eines Schmetterlings ein Erdbeben auslöst, filmen wir nicht das große Ereignis, sondern das kleine Tierchen”, sagt die promovierte Philosophin.

Voss nimmt sich Zeit, jeden einzelnen Gedanken und Satz zu ihrer Arbeit in Ruhe auszuführen. Etwas ungewohnt für die Künstlerin, denn „sonst wird immer nur mein Mann erwähnt und mein Name immer vergessen”, sagt Gabriele Voss und lächelt.