Witten. . Die meisten Anwohner der Pferdebachstraße klagen über viel Verkehrslärm. Dennoch leben und arbeiten viele seit Jahrzehnten dort – und das gerne. Wir trafen einige Anwohner und ließen uns Geschichten aus ihrem Leben erzählen.
Die Pferdebachstraße verbindet die Innenstadt mit Stockum und zählt zu den am stärksten befahrenen Straßen Wittens. Manche finden sie hübsch-hässlich, andere leben dort seit Jahrzehnten – und das gerne. Wir haben uns umgehört.
Meine Eltern stammen von Sizilien. Ich bin in Witten geboren. Mein Mann Giovanni und ich sind mit unserem Eiscafé seit 2007 an der Pferdebachstraße. Giovanni fährt mit unserem Eiswagen durch die Stadt. Er wird auch von Firmen oder zu Geburtstagen als Überraschung bestellt. Ins Café kommen nicht nur Nachbarn, sondern auch Leute aus anderen Stadtteilen. Eigentlich wollen wir ab dem 26. Oktober bis Mitte Februar Ferien machen und Freunde und Verwandte in Italien besuchen. Aber wenn das Wetter so schön bleibt, verschieben wir das noch ein bisschen. Witten ist meine Heimat. Italien ist für mich ein Urlaubsland. Aber: Italiener haben eine höhere Lebensqualität! Hier geht immer alles nach der Uhr.
Teresa Vizzini, 39
Schwierige Parkplatzsuche
Ich lebe hier mit meiner Familie unter einem Dach – mittlerweile seit 30 Jahren. Schön ist die Straße nicht. Und wenn Laster kurz über die Bahngleise fahren, klirren die Gläser in der Vitrine. An der Pferdebachstraße haben wir aber eine gute Nachbarschaft. Man weiß, wer links und rechts wohnt. Nebenan hält jemand sogar Hühner auf dem Hof. Und dass wir ganz nah am Krankenhaus leben, hat ja auch Vorteile (lacht). Aber: Mein Traum wäre es, irgendwann auf Norderney zu leben.
Peter Schimanski, 60
Wir arbeiten als Friseurinnen in Tommy’s Hair Cut. Wir finden es ärgerlich, dass wir selbst morgens vor unserem Laden keinen Parkplatz finden. Hier parken offenbar viele Leute, die ins Krankenhaus wollen. Wir haben ältere, auch gehbehinderte Kunden, die mit dem Auto gebracht werden. Im Grunde müssten wir vor dem Geschäft eine Art Be- und Entladezone haben, damit die Leute in Ruhe aussteigen können. Was schön ist: Viele Nachbarn lassen sich bei uns die Haare machen.
Janice Ditges, 25, und Enza Longhitano, 39
Ich bin wie mein Vater Karl Steinmetzmeister. Mein Urgroßvater Heinrich hat den Betrieb 1928 in Witten gegründet. An der Pferdebachstraße haben wir auch noch unser Bestattungsgeschäft und unsere Sauna. Ich bin an der Straße aufgewachsen und lebe auch noch heute hier. Das Wullener Feld, damals noch kein Gewerbegebiet, war unser Spielplatz.
Der Friedhof an unserem Steinmetzbetrieb ist für mich auch eine große und schöne Parkanlage direkt vor der Haustür. Mir gefällt es hier. Ich bin schnell in der Innenstadt, auch in Bochum und Dortmund. Und: Die Uni ist ja gleich um die Ecke. Ich finde, sie ist eine absolute Bereicherung für die Stadt. Allerdings ist die Pferdebachstraße nichts für Leute, die ihre absolute Ruhe haben wollen. Dafür ist hier viel zu viel Verkehr.
Peter Brotkorb, 52
Erbasti Ziyaettin hat seinen Laden schon lange
Meinen Kiosk habe ich seit 17 Jahren an der Pferdebachstraße. Ich heiße Erbasti Ziyaettin und stamme aus der Türkei. Ich bin dort in der Nähe von Izmir bei meiner Großmutter aufgewachsen. Meine Eltern sind schon 1960 nach Deutschland gegangen, mein Vater hat 25 Jahre bei Thyssen Krupp in Bochum gearbeitet. Meine drei Geschwister wurden hier geboren. Ich bin erst mit 18 Jahren hierher gekommen.
Ich habe zehn Jahre in einer Kupferfabrik in Lünen gearbeitet. Zusammen mit einem Partner habe ich danach eine Autowerkstatt aufgemacht. Das ging leider schief, die Firma ging pleite. Da habe ich mich dann mit einem Kiosk selbstständig gemacht, zuerst für zwei Jahre in Dortmund, wo ich auch privat lebe.
Geschäft sei schwierig
Danach konnte ich den Kiosk an der Bahnschranke an der Pferdebachstraße mieten. Der soll früher angeblich mal dem Wittener Box-Europameister im Halbschwergewicht (1958), Erich Schöppner (1932-2005), gehört haben. Der letzte Betreiber vor mir war ein ehemaliger Außendienstmitarbeiter von Langnese. Den Kiosk gibt es schon über 50 Jahre.
Das Geschäft ist mittlerweile sehr schwierig. Die Supermärkte haben abends bis 22 Uhr geöffnet, die Tankstellen noch länger. Wenn die Pferdebachstraße endlich umgebaut wird, habe ich für Monate eine Großbaustelle vor der Tür. So etwas ist für Ladenbesitzer tödlich. Ich bin jetzt 53 und will hier weitermachen, bis ich Rentner bin.
Erbasti Ziyaettin, 53