Als der entscheidende Anruf am Freitagabend kommt, muss Marcus Richter erst einmal schlucken. Der Wittener ist der erste Rot-Kreuz-Mitarbeiter aus ganz Nordrhein-Westfalen, der den Auftrag bekommt, im Ebola-Krisengebiet zu helfen.

„Ich bin gut vorbereitet“, sagt der erfahrene DRK-Helfer. Und doch weiß er: Die nächsten vier Wochen in Afrika werden eine spezielle Herausforderung. Von nun an geht alles schnell. Heute muss sich der 37-Jährige von seiner Freundin und Verwandten verabschieden. Er reist erst nach Berlin, um bei einer Lagebesprechung letzte Informationen über die Situation im Einsatzgebiet zu erhalten. Dann fliegt er ins westafrikanische Sierra Leone, in die 155 000-Einwohner-Stadt Kenema, raus aus dem deutschen Alltag.

In Deutschland nimmt der gelernte Rettungsassistent Spendern Blut ab, in Afrika wird er unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen Isolierstationen aufbauen - je nach Gefahrenlage mit Schutzanzug, Mundschutz, Gummistiefeln. Anders als in anderen Krisengebieten hat es Marcus Richter mit einer unsichtbaren Gefahr zu tun: Ebola, dieser so hochansteckende Virus, hat in Sierra Leone schon mehr als 500 Menschenleben gekostet.

Zwar wird der Wittener, anders als medizinisches Personal, abseits von Ebola-Erkrankten eingesetzt. Trotzdem weiß er, was gefordert ist: „Ständige Konzentration“, rund um die Uhr. Ein kleiner Fehler könnte fatal sein. Alles wird deshalb vor Ort durchgeplant sein, etwa das An- und Ausziehen der Schutzkleidung. „Auch wenn man es schon zigmal gemacht hat – alles läuft nach einer Checkliste ab.“ Mit dabei: Ein erfahrenes DRK-Team, das er kenne, und medizinische Versorgung.

Es ist Richters vierter großer Einsatz. 2005 war er nach einem schweren Erdbeben in Pakistan, 2008 in Simbabwe, wo Hunderttausende an Cholera erkrankten, 2010 in Haiti, ebenfalls nach einem Erdbeben. Vor einiger Zeit hatte er sich schließlich als Freiwilliger für einen Ebola-Einsatz gemeldet. „So eine Entscheidung trifft man nicht von heute auf morgen“, sagt der Wittener Rotkreuzler. Aber wenn man den Einsatz in Krisengebieten gelernt habe, „dann gehört es auch dazu, in den Einsatz zu gehen“.

Nicht zuletzt seiner Erfahrung wegen entschied man sich bei der Hilfsorganisation für den Ruhrstädter. Aus den anderen Einsätzen wisse er, dass er mit seiner Arbeit viele Menschenleben retten könne. Diesmal geht es nicht um Trinkwasseranlagen, wie etwa in Simbabwe. In Kenema wird der 37-jährige Technik-Experte bei über 40 Grad Isolierstationen aufbauen, in denen Erkrankte später behandelt werden. „Das wird physisch und psychisch eine größere Belastung als bei anderen Einsätzen“, weiß er. Aber: „Das ist die einzige Chance, die Ebola-Übertragung zu verhindern.“

Der DRK-Mitarbeiter wurde im Vorfeld intensiv auf eine Arbeit in dem westafrikanischen Seuchengebiet vorbereitet. Nach einer vierwöchigen allgemeinen Katastrophenschutz-Ausbildung absolvierte er ein zweitägiges „Ebola-Training“, lernte etwa, wie die Krankheit übertragen wird und wie die Schutzkleidung an- und auszuziehen ist. „Das hat ein ganzes Stück Sicherheit gebracht.“ Und habe seiner Freundin zumindest ein bisschen das mulmige Gefühl genommen.

Ob er Angst vor seinem Einsatz habe? Nein, das Team vor Ort arbeite schon wochenlang erfolgreich zusammen. Außerdem, sagt Marcus Richter, sei die Wahrscheinlichkeit, an einer Grippe zu erkranken oder bei einem Autounfall zu sterben, deutlich höher. Seine Arbeit gebe ihm ja auch etwas zurück: „Die Bevölkerung kommt auf einen zu und sagt ,Danke´. Das ist ein schönes Gefühl.“