Witten. .
Der 28. Februar 1997 wird wohl immer einen Platz in der Wittener Geschichte einnehmen. Erstmals hatte eine mexikanische eine deutsche Firma übernommen – den Pumpenhersteller „Ruhrpumpen“. Für 122 Mitarbeiter war es das Ende von monatelangem Hoffen und Bangen um den Erhalt der Arbeitsplätze.
Ohne den Mut von Unternehmer César A. Elizondo Villareal hätten sie womöglich ihre Stelle verloren. Arbeiter eines Werkes, das sich seit 1950 in der Welt einen Namen machte: mit Abwasserpumpen und Pumpen zur Deichentwässerung, insbesondere aber mit Pumpen für Pipelines – Hightech made in Witten. Für die Thyssen AG, zu der Ruhrpumpen damals gehörte, war der Marktanteil zu gering. Im April 1996 verkündete man die baldige Schließung. Eine Lösung? Nicht in Sicht, jedenfalls nicht so schnell.
„In harten Verhandlungen mit Thyssen erreichten wir einen Aufschub um sieben Monate“, erinnert sich die Betriebsratschefin Helga Kappelhoff, die seit 1969 im Betrieb ist. „Ohne die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat wäre das nicht möglich gewesen.“ Man fand das mexikanische Familienunternehmen, das zusammen mit einem kanadischen Finanzpartner an der Stockumer Straße einstieg. Die bis dahin 47-jährige Geschichte von Ruhrpumpen ging weiter.
Erste Mitarbeiteiter kamen aus Halle
Sie begann 1950, als noch das Annener Gussstahlwerk auf dem Betriebsgelände ansässig war und wo vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges Raupenketten und Triebräder für Fahrzeuge produziert worden waren. Am 17. Oktober 1947 erschien das Werk, das zur Ruhrstahl AG gehörte, auf der Demontageliste der Alliierten. Ruhrstahl nutzte die in der Folge zahlreichen leeren Werkshallen ab 1950 für Neuansiedlungen. Dazu gehörte auch die Firma „ Wende & Hentschel“.
Die ersten Mitarbeiter kamen aus Halle an der Saale, von der Firma „Weise und Monski“, die seit 1903 Pumpen fertigte. Mit Spezialisten anderer Firmen bildeten sie den ersten Mitarbeiterstamm der neuen „Ruhrpumpen GmbH Wende & Hentschel“. Zunächst reparierten sie Pumpen, erst mit der hohen Nachfrage nach Schiffskreisel- und Propellerpumpen wurde das Werk zum Produktionsstandort.
1955 wurde Ruhrpumpen in die Ruhrstahlwerke AG aufgenommen, ein Jahr darauf gingen Ruhrstahlwerke und Rheinische Stahlwerke zusammen. Was gleich blieb, war der Markenname: „Ruhrpumpen“ hatte sich inzwischen in der Welt einen Namen gemacht.
Pumpen aus Witten in Kraftwerken und Pipelines
290 Beschäftigte sind heute etwa in Annen tätig. Die Pumpen, die sie fertigen, kommen in verschiedenen Bereichen auf der ganzen Welt zum Einsatz: Raffinerien, Pipelines, Kraftwerke, Wasserwerke und sogar Flughafen-Tankanlagen nutzen die Pumpen.
Ruhrpumpen ist darüber hinaus auch im Anlagenbau tätig und hat sich mit dem „Hydraulic Decoking System“ – einem Raffineriesystem zum Wasserschneiden von Koks – ein zweites Standbein neben der klassischen Pumpentechnik geschaffen.
Der Ausbau der Produktpalette zeigt sich auch in der Entwicklung des Umsatzes: Lag er 1997 noch bei 16,7 Millionen Euro, wurde im Jahr 2007 bereits ein Umsatz von ca. 80 Mio. Euro erwirtschaftet. Im Jahr 2013 wurden mehr als 100 Mio. Euro erreicht.
Nur noch Schwarzweißbilder erinnern heute, in Zeiten von Absauganlagen und computergesteuerten Maschinen, an die Arbeitsbedingungen damals: Staub- und Lärmbelastung und körperlich schwere Arbeit bestimmten den Alltag. „Heute ist eher der Zeitdruck durch kürzere Lieferzeiten eine Belastung“, sagt Helga Kappelhoff.
1974 wurde die Rheinstahl AG mit der Thyssen AG zusammengelegt. Am Erfolg war damals bereits Hans-Ulrich Köhler beteiligt, der das Werk 1993 als Geschäftsführer verließ. Nach der Neugründung 1997 holte Eigentümer César E. Villarreal den Fachmann mit gutem Draht zur Belegschaft zurück. Köhler war es auch, der wichtige Verträge mit Libyen und China nach dem Thyssen-Absprung abschloss. „Sonst wäre der Neustart schwieriger geworden“, weiß Kappelhoff.
Seit 2010 ist Dr. Wolfgang Paul Mitglied der Geschäftsführung. Seinen Auftrag versteht er in der „Qualität und Zuverlässigkeit der Produkte“ – heute vor allem Pumpen für Öltransport und -verarbeitung. Stolz ist die Belegschaft, dass Neuentwicklungen nicht aus irgendeiner Feder stammen. Dr. Wolfgang Paul: „Wenn neue Pumpen entwickelt werden, dann zum größten Teil in Witten.“ In der eigenen Entwicklungsabteilung Wer hätte das am 28. Februar 1997 gedacht?