Witten. . Oberlandesgericht Hamm bescheinigt Marien-Hospital Witten groben Behandlungsfehler beim Geburtsvorgang. Statt einen Kaiserschnitt durchzuführen, setzte die behandelnde Ärztin die werdende Mutter auf Geburtshocker und verzögerte so die Geburt

Bestätigt hat das Oberlandesgericht Hamm jetzt ein Urteil des Landgerichts Bochum aus dem Jahr 2012: Das Marien-Hospital wird für die Behandlungskosten eines Jungen aufkommen müssen, der im November 2002 mit einer schweren Hirnschädigung zur Welt gekommen ist. Kläger war der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, der als Träger der Behindertenhilfe bis jetzt die Kosten für die Behandlung des Kindes übernommen hatte.

Das Gericht bescheinigt dem Marien-Hospital in seinem Urteil grobe Behandlunsgsfehler beim Geburtsvorgang. Bei der werdenden Mutter war es während der Geburt zu Komplikationen gekommen. Zwischenzeitlich sank die Herzfrequenz des ungeborenen Kindes lebensgefährlich ab. Anstatt aber sofort einen Kaiserschnitt durchzuführen oder die Geburt anderweitig zu beschleunigen, setzte die beklagte Ärztin des Krankenhauses die Mutter 15 Minuten auf einen Geburtshocker, bevor es nach 23 Minuten zu einer spontanen Geburt kam. Das Gericht bewertet diese Entscheidung als „grob fehlerhaft“.

Nach den „festgestellten Auffälligkeiten bei den Herzfrequenzwerten des Kindes sei der insgesamt zirka 30-minütige Versuch, die Geburt unter Anwendung des Geburtshockers zu fördern, fehlerhaft gewesen“, heißt es in einer Stellungnahme des Oberlandesgerichts. „Wegen der Gefahr einer Kindesschädigung hätte man sich für eine sofortige Beendigung der Geburt durch eine Schnittentbindung (Kaiserschnitt, Anm. d.Red.) entscheiden müssen. Die anstelle einer Schnittentbindung in den letzten 45 Minuten vor der Geburt durchgeführten Maßnahmen waren medizinisch nicht mehr nachvollziehbar.“

Einspruch gegen das Urteil eingelegt

Und auch, wenn nicht sicher festgestellt werden könne, ob die Schädigung des Kindes durch die 23-minütige Verzögerung der Geburt oder vielleicht schon vorher eingetreten sei: „Die Beklagten haften für den Schaden des Kindes.“

„Für uns als Kläger und Träger der Behindertenhilfe ist das Urteil erfreulich, da das vom Marien-Hospital zu zahlende Schmerzensgeld an uns weitergeleitet wird und wir dadurch einen Teil unserer Kosten ausgleichen können“, sagt Frank Tafertshofer, Sprecher des Landschaftsverband Westfalen-Lippe.

Ob es dazu kommen wird, steht jedoch noch nicht fest. Der Fall muss jetzt in noch höherer Instanz verhandelt werden. Denn das Marien-Hospital hat gegen das Urteil Einspruch beim Bundesgerichtshof eingelegt. Äußern will sich die Klinik im Moment nicht. Theo Freitag, Geschäftsführer der St. Elisabeth Gruppe – Katholische Kliniken Rhein-Ruhr, verweist auf das laufende Verfahren.