Witten. . Die Firma J.D. Neuhaus in Witten stellt Hebezeuge her, die in schwierigstem Arbeitsumfeld einsetzbar sind. Seit sieben Generationen ist die Firma in Familienhand. Die Tradition steht dennoch nicht im Vordergrund, die Weiterentwicklung sei viel wichtiger.
Der kleine Parkplatz hat keine Schranke, das würde auch gar nicht passen zu den einladenden schmucken Häusern auf dem Firmengelände, aus Ziegel und Fachwerk, diesen Zeugen vergangener Zeiten. Und auch das Unternehmen selbst fügt sich ganz bescheiden in das Ensemble in der Windenstraße in Heven ein. Dabei hat die Firma es eigentlich überhaupt gar nicht nötig, sich klein zu machen. Sie ist nämlich eine der ganz großen. Nicht nur in Witten. Sie ist ein Weltmarktführer: J.D. Neuhaus.
Johann Diederich Neuhaus war es, der die Firma 1745 gründete, eine Holzschaft-Winde hatte er damals im Angebot, wie eine amtliche Urkunde der Sprockhövel’schen Kaufmannschaft belegt. Fast 270 Jahre sind seither vergangen, noch immer ist das Unternehmen in Familienhand, inzwischen in der siebten Generation.
Einsatz überall, wo es brenzlig wird
Aus dem Anbieter von Wagenhebern für Fuhrleute ist ein weltweit tätiger Hersteller für Hebezeuge geworden. Für Geräte also, mit deren Hilfe schwere Lasten gehoben und transportiert werden. Allerdings nicht irgendwelche Hebezeuge. Pneumatisch oder hydraulisch betrieben sind die Wittener Maschinen, arbeiten also funkenfrei. Und sind dadurch auf schwierigstem Terrain einsetzbar.
Neuhaus Hebezeuge kommen überall da zum Einsatz, wo es brenzlig wird mit der Elektrik. Der Erfolg in diesem Markt ist das Verdienst von Geschäftsführer Wilfried Neuhaus-Galladé. „Als es mit der Kohle bergab ging, mussten wir uns überlegen, in welches Marktumfeld wir unsere Technologie transportieren konnten.“
Weiterentwicklung statt Tradition
Es mussten Bereiche sein, in denen ähnlich wie im Bergbau der Explosionsschutz an erster Stelle stand. Wilfried Neuhaus-Galladé fand sie: Bei der Gasförderung, in der chemischen Industrie, im Schweranlagenbau. Der Strukturwandel in schwierigen Zeiten gelang – auch weil der damals noch junge Chef freie Hand bekam. „Mein Onkel, von dem ich das Geschäft übernommen habe, hatte volles Vertrauen zu mir und hat mich machen lassen“, sagt der heute 57-Jährige.
Solche „massiven Brüche“ in der Firmenhistorie habe es immer wieder gegeben – der Onkel selbst war es, der die Produktion für Untertage motorisierte und damit die vom Großvater eingeschlagenen Pfade verließ. „Das ist wohl das Besondere hier: Alle Generationen sind immer mit Volldampf voraus gefahren“, so erklärt der Chef den Erfolg über die Jahrhunderte. Neues finden, Neues versuchen.
Tradition bewahren? Damit kann Neuhaus-Galladé nicht viel anfangen. Weiter entwickeln, das ist sein Ding. „Mit Tradition kriegt man keine Maschine verkauft.“ Sicher habe er in große Fußstapfen treten müssen. „Aber ich muss nicht auf den ausgelatschten Wegen weitergehen.“ Wenn schon Firmentradition, dann im Umgang mit den Mitarbeitern. „Wir sind nah dran, wir kennen uns alle – das gilt es zu bewahren.“ So soll es auch in achter Generation weitergehen.
Mensch und Maschine arbeiten nach japanischer Philosophie
Sauber und ordentlich ist es in der Produktions-Halle, trotz der riesigen Maschinen fast ein bisschen gemütlich. Alles wirkt strukturiert, überschaubar. Karteikarten in verschiedenen Farben und Stellwände mit Hinweiszetteln überall. Das hat seinen Grund: Die Fertigung bei J.D. Neuhaus erfolgt nach dem Kaizen-Prinzip, einer Lebens- und Arbeitsphilosophie aus Japan. Nach dieser Idee weist nicht eine sprunghafte Verbesserung den Weg zum Erfolg, sondern nur die schrittweise Perfektionierung.
Diese Philosophie ist mehr als eine Theorie. Für die Firma und ihre Mitarbeiter hat sie durchaus handfeste, sichtbare Folgen. An jedem Arbeitsplatz etwa liegt das Werkzeug in speziellen Halterungen parat – Hammer neben Hammer, Schrauber bei Schrauber. Denn Kaizen heißt auch: Vermeidung von Verschwendung. „Und Suchen nach Werkzeug ist die Verschwendung von Arbeitszeit“, gibt Geschäftsführer Neuhaus-Galladé, der die Philosophie 2003 einführte, ein kleines Beispiel.
Kleine Karteikarten helfen
Tiefgreifender für das Unternehmen war die Abschaffung der Lagerbestände. „Vor der Restrukturierung hatten wir ein Riesenlager.“ Das ist jetzt anders: Produziert wird, was bestellt ist – sonst nichts. Auch Werkzeug wird nur so viel vorgehalten, wie nötig. Schneidwerkzeuge werden an einem Automaten gezogen, der die Kästchen ähnlich wie Zigarettenschachteln ausspuckt. „Fließende Materialbeschaffung“ heißt das Prinzip.
Mittels kleiner Karteikarten bestellen die Mitarbeiter, was sie brauchen und erfahren, was zu tun ist. Ein „Kaizen-Zug“ fährt kontinuierlich durch die Hallen und beliefert die Arbeitsplätze mit dem benötigten und gefertigten Material.
Alle machen mit
Auch in der Fertigung selbst setzt sich die Idee fort: Die japanischen Maschinen – alle ebenfalls von einem Hersteller, der nach Kaizen-Philosophie arbeitet – sind auf Flexibilität und kleine Mengen eingestellt, haben entsprechend kurze Rüstzeiten: Maximal eine Woche soll von der Bestellung eines Serienhebezeuges bis zur Auslieferung vergehen. „An diesem Versprechen messen wir uns“, so der Chef.
Es sei zunächst nicht leicht gewesen, die Mitarbeiter von dem neuen Prinzip zu überzeugen – vor allem die älteren. Heute machen alle mit, versichert der Chef, aus Überzeugung. In Qualitäts-Konferenzen würden regelmäßig Probleme und Schwierigkeiten besprochen und abgestellt. „Mit Kaizen“, so Neuhaus-Galladé, „haben wir hier keinen Stress mehr“.