Witten. . Statt 66 gibt es nun sogar 72 Sitze - aber trotzdem keine stabilen Mehrheiten. Die SPD lässt Tür fürmögliche Partner offen. Erfolgreiches Bürgerforum erteilt festen Koalitionen eine Absage.
Vize-Bürgermeisterin Beate Gronau war die Erste in der SPD, die am Wahlabend im Rathaus mit einem Piccolo auf ihr Direktmandat anstieß. „Man schenkt sich sechs Jahre Ärger“, sagte sie lachend mit Blick auf die nächste, bisher längste Legislaturperiode des neuen Rates.
Gronau überflügelte ihren Konkurrenten Rolf Kiesewetter von der CDU um Längen. Ähnlich erging es der Union in fast allen Wahlbezirken. Mancherorts, wie im Wahllokal „Albert-Martmöller-Gymnasium“, wurde sie sogar nur drittstärkste Fraktion hinter den Grünen. Enttäuschend auch das persönliche Ergebnis für Fraktionschef Klaus Noske. Im Café Schelle (Schellingstr., Krumme Dreh, Neuer Weg), wo er kandidierte, holte er gerade mal 22 Prozent, nicht einmal die Hälfte der Stimmen des erkrankten SPD-Faktionschefs Thomas Richter.
Die Union stehe aber einmütig hinter ihrem Fraktionschef, versichert Stadtverbandsvorsitzender Ulrich Oberste-Padtberg. Fehler im Wahlkampf sehen weder er noch Noske. Ihn hätten mehr Bürger auf das Freihandelsabkommen als die Straßen in Witten angesprochen, sagt Oberste-Padtberg - und meint damit: Das gute Europawahlergebnis für die SPD schlug sich auch im Wittener Ratsresultat nieder.
Besonders schmerzhaft für die CDU sind die verlorenen drei Direktmandate, die sie 2009 in Heven, Bommern und Durchholz holen konnte. In Durchholz, wo die Schließung der Grundschule die SPD damals einen Sitz im Rat kostete, setzte sich diesmal Klaus Pranskuweit (SPD) deutlich durch. In Bommern-West freute sich Klaus Wiegand, nach 15 Jahren den Bezirk wiedergewonnen zu haben.
Den Sieg der SPD, die ihren Absturz von 2009 stoppen konnte, erklärt Frank Koch vom Bürgerforum auch mit der Europawahl. Er spricht von einem „Mitnahmeeffekt“, für den der Spitzenkandidat Martin Schulz gesorgt habe. Seine Partei habe auch für Europa und Dietmar Köster aus Wetter gekämpft, erklärt SPD-Stadtverbandsvorsitzender Thomas Stotko.
Insgesamt ziehen nun elf Parteien und Wählergemeinschaften in den neuen Rat ein - der damit größer und bunter denn je wird. Da die SPD alle Direktmandate holte, dies aber in keinem Verhältnis zu ihrem Gesamtergebnis steht, gibt es die Rekordzahl von 22 Überhangmandaten: Der neue Rat hat 72 Sitze (bisher 66) statt 50, wie es eigentlich vorgesehen ist.
„Ich sehe keine vernünftigen Mehrheiten. Die Ratsarbeit wird noch schwieriger“, sagt Frank-Steffen-Fröhlich (FDP), dessen Partei mit drei Prozent und nur zwei Sitzen zu den Verlierern des Abends gehört. Koalitionen sind noch nicht in Sicht: Für Grüne und SPD (34 Sitze) reicht es zusammen nicht, das Bürgerforum (sieben) will keine feste Bindung eingehen. Wenn die CDU nicht mit ins Bett steigt, dürfte es auch künftig nur themenbezogene Mehrheiten geben.
Kleinfraktionen wie WBG, Piraten oder die rechtsextreme Pro NRW (alle zwei Sitze) könnten hier und da das Zünglein an der Waage sein. Wobei SPD-Fraktionsvize Uwe Rath „nichts ausschließen“ will. Er persönlich bevorzuge ein „stabiles Fundament“. Die stärkste Fraktion lässt die Tür für mögliche Partner offen.