Als Vierjähriger erlebte Horst Rittinghaus die Bombennacht im März 1945. Dass ein kleines Mädchen im Schutzraum wegen ihrer Mütze verhöhnt wurde, tut im noch heute leid.


Ich erinnere mich mit Grauen an den Luftangriff vom 19. März 1945. Als die Sirenen ertönten, haben wir wie immer bei den Warnungen, die wir in unserem Volksempfänger hörten, die wichtigsten Sachen (Papiere, einige Lebensmittel, wenn welche da waren, und Kleidung) eingepackt. Unser Notpaket lag griffbereit in unserem Flur. Meine Mutti, meine Schwester Gisela (Gilla), 11 Jahre alt, und ich sind so schnell wir konnten zum Bunker in die Kirchstraße gelaufen. Mein Bruder Friedhelm, 14 Jahre alt, war zu dieser Zeit mit der Hitlerjugend in der Slowakei. Wenn dann in unserem Volksempfänger das Lied „Hörst Du mein heimliches Rufen“ gespielt wurde, kamen uns die Tränen. Mein Vater war bei der Luftabwehr an den Kanone, die hier in Witten am Hammerteich stationiert waren.

Mahnung in der Kellerbar

Als wir zu dem Luftschutzbunker in der Kirchstraße kamen, war dieser überfüllt. Dort soll es dann auch einige Tote gegeben haben. Hier hörten wir schon, wie die Bomben in Witten einschlugen. Also sind wir an der Johanniskirche vorbei die Johannisstraße hoch bis zu Schultes Brauhaus, dann rechts bei Bauer Dickhoff über den Viehmarkt und dann zu dem Bunker an der Hindenburgstraße (heute Husemannstraße), der in den Berg in der Straße Beek gebaut wurde.

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Hier hatten wir Glück und gelangten in den schützenden Bunker. Viele Frauen, viele Kinder und einige ältere Männer waren schon hier. Bei den Einschlägen der Bomben in unserer Umgebung zitterte der Bunker und viele Menschen weinten und schrien. Da war auch ein kleines Mädchen, etwa fünf bis sechs Jahre alt. Sie hatte eine Pudelmütze auf, die etwas eirig war. Plötzlich sangen einige Kinder „Hopp. hopp, hopp, die Lotti hat ‘nen Eierkopp“. Worauf die Kleine fürchterlich weinte. Ich habe auch mitgesungen, und das tut mir heute sehr leid. Lotti, wenn es Dich noch geben sollte: Entschuldigung!

Nachdem es Entwarnung gegeben hatte, konnten wir den Bunker verlassen. Den Anblick werde ich nie vergessen. Witten stand in Flammen. Wohin man sah, brennende Häuser, Ruinen und dieser beißende Qualm in den Straßen. Tote und Verletzte lagen überall. Viele Menschen weinten, schrien und liefen verzweifelt herum.

Das Alexanderwerk, Mannesmann, Lohmann und Soeding, viele Häuser in de Ardeystraße, Husemannstraße, Winkelstraße und Oberstraße waren nur noch Ruinen. Wir hatten Glück. In unserem Haus in der Oberstraße brannte nur der Dachstuhl, der schnell gelöscht werden konnte. Aber das Haus neben uns, die Gaststätte Mohn an der Ecke Ardeystraße, viele Häuser in der Winkelstraße und uns gegenüber das Haus Grünschläger, alles brennende Ruinen!

In diesem Haus Grünschläger wohnte mein Onkel Ewald mit seiner Frau und seinen Schwiegereltern im fünften Stock. Sein Schwiegervater Anton Neumann war Hobbyschuster und benutzte zum Besohlen einen Dreifuß. Dieser ist zerbrochen im Trümmerschutt gefunden worden. Mein Vater hat ihn dann wieder zusammen geschweißt. Heute hängt er in meiner Kellerbar als Mahnung an den 19. März 1945. Ich wünsche, dass wir diese Angst und dieses Elend nicht wieder erleben müssen.

Einige Wochen nach dem Bombenangriff wurde ich nachts wach und sah, wie Männer aus dem Oberdorf (sie hatten erfahren, dass der Einmarsch bevor stand) Hakenkreuzfahnen, Uniformen der Wehrmacht, Gewehre und Pistolen in unserem Garten vergraben haben. Ich kenne diese Stelle. Eventuell liegen sie heute noch da.“