Witten. . Eine geschlagene Stunde lang brauchten wir, um mit Jochen Winter einmal die Meesmannstraße hoch- und runter zu gehen. Denn der Pastor kennt in Herbede Hinz und Kunz und wechselt mit jedem ein freundliches Wort. Trotzdem hatte er auch noch anderes zu erzählen.

Lange wird er nicht mehr durch Herbede spazieren, denn im Mai steht die offizielle Verabschiedung an. Ein Grund mehr, noch einmal mit Pastor Jochen Winter über die Meesmannstraße zu schlendern. Dass man da nicht so schnell vorankommt, war eigentlich klar. Schließlich ist der 70-Jährige, der 1985 die Gemeinde St. Peter und Paul übernommen hat, hier im Ort bekannt wie ein bunter Hund.

Wir starten am Pfarrhaus, dort, wo die Meesmannstraße fast zu Ende ist. Eigentlich, verrät Winter, gehe er ja gar nicht so gerne spazieren. Lieber joggt er um den Kemnader See, um fit zu werden fürs Klettern auf die 4000er. Ein Bild vom Matterhorn hängt im Arbeitszimmer – mit solchen Höhen kann Herbede natürlich nicht mithalten. Aber ein- bis zweimal pro Woche geht der Pastor dann doch durchs Dorf – um seine Einkäufe zu erledigen. „Ich bin ein Schnäppchenjäger, gucke gern nach Sonderangeboten.“

Heute genießt er auch den Anblick der rosa Kirschblüte: „Die ist dieses Jahr sehr früh, wegen des milden Winters. Ich wundere mich ja immer, was die Natur so drauf hat“, sagt der Gottesmann. Vorbei geht’s am Markuszentrum: „Da feiere ich auch meinen Abschied“, sagt Pastor Winter, dem zu fast jedem Gebäude am Wegesrand etwas einfällt. Zum Beispiel beim Restaurant Sokrates. „Die leihen uns fürs Pfarrfest immer den Gyros-Apparat.“ Oder bei der Nummer 72: „Das war mal ein Pub.“ Lange her. Ein paar Meter weiter: „Das berühmte weiße Haus.“ Dort wohne die Senior-Chefin der Ruhrtaler Gesenkschmiede. Ebenfalls rechterhand liegt „Da Franco“, des Pastors kleiner Lieblingsitaliener. „Da bin ich gerne.“ Eine „Quattro Stagioni“ sei dann die Pizza seiner Wahl.

Lokalderby und VfL-Heimspiel

„Hallo, Tach.“ In bester Ruhrgebietsmanier grüßt Winter nach hüben und drüben. Schließlich ist er ein echter Bochumer Junge (der eigentlich nie nach Herbede wollte). Elisabeth Kampmann (87) kriegt sogar einen Handschlag und strahlt. „Den letzten runden Geburtstag haben wir ja groß gefeiert“, erzählt Winter. „Und den Kleinen da drüben habe ich getauft.“ Dann trifft er Karsten und Otto, zwei gestandene Herren, mit denen er mal eine gemeinsame Fahrt gemacht hat. Ein junger Mann kreuzt den Weg, VfL Bochum-Fan wie der Pastor. „Na, Sonntag auch da?“ „Klar“, sagt Winter, der regelmäßig zu Heimspielen ins Stadion fährt. Und hofft, dass er es nachmittags trotzdem noch schafft zum Lokalderby Herbede gegen Stockum.

Am Ende – oder besser: am Anfang – der Meesmannstraße wenden wir. „Hier war ja früher der alte Markt, alles freie Fläche“, erzählt Jochen Winter und guckt dahin, wo heute das Eiscafé seine Tische aufgebaut hat und der Blumenladen seine blühende Pracht ausstellt. Auf dem Rückweg bestellt er noch zwei kleine Röstbrote im Marktkieker. Und bleibt plötzlich vor einem Schaukasten stehen. Der gehört dem Bürgerschützenverein Herbede 1850 und zeigt Fotos, auf denen natürlich auch der Pastor zu sehen ist. „Die haben mich gerade zum Ehrenmitglied ernannt.“

Dann sind wir auch schon wieder an der Kirche. Die Sonne verschwindet hinter den Wolken. Ein frischer Wind kommt auf. Glück gehabt.