Witten.. Am Freitag (11. April) ist Welt-Parkinson-Tag. Helga Jahn-Dietrich, die an jenem Tag in einer Bommeraner Buchhandlung Betroffenen Mut machen möchte, lebt seit über fünf Jahren mit der Parkinson-Krankheit. Ein Gespräch über Denksportaufgaben und Lebensfreude.
„Sie haben Parkinson.“ Diese Diagnose erhielt Helga Jahn-Dietrich Ende 2009. Seit Anfang 2010 besucht sie die Wittener Selbsthilfegruppe. „Ich wusste, wenn ich einmal anfange, mich einzuigeln, gehe ich nicht mehr raus“, sagt die 64-Jährige. Das Gegenteil ist der Fall. Freitag (11. April), am Welt-Parkinson-Tag, wird sie ab 9.30 Uhr sogar viele Stunden in der SMC Shop Bundes-Verlag Buchhandlung am Bodenborn 43 in Bommern verbringen. Dort finden Besucher dann auch Bücher zum Thema.
Warum setzen Sie sich den ganzen Tag in die Buchhandlung und wie schaffen Sie das überhaupt?
Helga Jahn-Dietrich: Ich weiß, dass Parkinson-Patienten nur sehr ungern ihr Zuhause verlassen, weil man nie vorher weiß, wie man sich an diesem Tag fühlen wird. Trotzdem möchte ich den Menschen Gelegenheit geben, dorthin zu kommen und sich mit mir auszutauschen. Ich selbst habe mich auf diesen Tag vorbereitet, indem ich mich gestern und vorgestern viel ausgeruht habe. Außerdem wohne ich direkt nebenan, habe also keinen weiten Weg.
Was genau macht es Parkinson-Patienten so schwer, sich aus den eigenen vier Wänden herauszubewegen?
Bei einem Magengeschwür könnte man nach außen hin den Gesunden spielen. Aber unsere Krankheit ist sichtbar. Parkinson ist eine neurologische degenerative Erkrankung, die unaufhaltsam fortschreitet. In dem betroffenen Teil des Gehirns wird nicht mehr ausreichend Dopamin gebildet, das für die Bewegung zuständig ist. Symptome sind ein Tremor, also das Zittern der Hand, Unbeweglichkeit und Überbewegungen. Man bewegt sich insgesamt verlangsamt, hat einen schlurfenden Gang, geht kleinschrittig. Viele vermeiden es, im Restaurant essen zu gehen, weil man schlecht mit Messer und Gabel umgehen kann. Ich bitte bei der Bestellung immer um einen großen Löffel und esse meinen Salat dann eben mit Löffel und Gabel. Depression ist übrigens ein weiteres Symptom.
Was hat Ihnen geholfen, nicht ständig in ein tiefes Loch zu fallen?
Zunächst mal habe ich erfahren, dass man trotz Parkinson alt werden kann. Und ich habe gespürt, dass man trotzdem Lebensfreude ausstrahlen kann und das Leben lebenswert ist. Und das beflügelt mich. Natürlich hat mir auch der Besuch der Selbsthilfegruppe geholfen. Die leite ich seit Januar auch, weil sie sich sonst wohl aufgelöst hätte. Wir haben 35 Mitglieder, das Durchschnittsalter liegt bei 72 Jahren. Nicht immer können alle zu den Treffen kommen, aber wenn’s einem schlecht geht, versucht man auch per Telefon Kontakt zu halten.
Was raten Sie anderen Parkinson-Patienten?
Die Krankheit nicht nur mit Medikamenten zu bekämpfen, sondern für vieles Interesse entwickeln und bloß nicht resignieren. Manche machen Tai-Chi oder gehen täglich spazieren. Jeder hat da seinen eigenen Weg. Ich mache jeden Morgen Heileurythmie, das habe ich während der Reha kennengelernt. Ich gehe schwimmen und habe im Haus ein kleines Trampolin. Über Denksportaufgaben versuche ich außerdem, geistig in Bewegung zu bleiben. Denn man wird auch geistig träger, leidet unter Antriebsschwäche. Es gibt sogar extra Geschicklichkeitsspiele für Parkinson-Patienten.
Haben Sie trotzdem manchmal Tiefpunkte?
Manchmal ärgere ich mich über mich selbst. Zum Beispiel würde ich gern mal mit dem Zug nach Essen fahren und einen Einkaufsbummel machen. Da habe ich aber ständig die Angst im Hinterkopf: Wie komme ich zurück? Also bitte ich meinen Mann oder meine Freundin mitzufahren – und muss dadurch ein Stück Verantwortung abgeben. Mich ärgert auch, dass ich nicht mehr so lange durch den Wald laufen kann. Zu Beginn der Krankheit waren es noch vier Kilometer, jetzt sind anderthalb Kilometer schon viel.
Wann trifft sich Ihre Selbsthilfegruppe wieder?
Am Freitag, 23. Mai, von 15 bis 17 Uhr in der Kreuzgemeinde an der Lutherstraße 6. Dabei wird es um das Thema Vitamine gehen.