Witten. . Die erste Aktion im März war ein Flashmob, organisiert via Facebook. Spontan legten sich Bürger auf den Rathausplatz, um auf die schlechten Bedingungen in Pflegeberufen aufmerksam zu machen. Jetzt folgt die zweite Aktion als „Smartmob“ - besser vorbereitet und angemeldet.

„Nach jedem Patientenkontakt sollte man sich eigentlich 30 Sekunden lang die Hände desinfizieren“, sagt Krankenschwester Gabriele Gurski. Pro Tag kämen da locker zwei Stunden zusammen. Zeit, die das ohnehin gestresste Personal an anderer Stelle viel dringender bräuchte. Das Beispiel zeigt deutlich: Im Pflegebereich läuft etwas schief. Und deshalb legen sich die 52-Jährige und ihre Kollegin Christiane Lichte (55) nächsten Samstag zum zweiten Mal in der Innenstadt auf den Boden, um bessere Bedingungen für ihre Berufsgruppe zu erkämpfen.

„Wir brauchen mehr Zeit für die Pflege, also für die Patienten“, sind sich die Krankenschwestern einig. Das gelte genauso für die Mitarbeiter in Pflegeheimen. Doch die beiden – seit über 30 Jahren im Beruf – sprechen vor allem aus eigener Erfahrung. „Seit Jahren steigt bei uns der Krankenstand. Burnout ist ein großes Thema“, so Lichte. Die Ursachen: Stellen werden abgebaut, Nachwuchs fehlt, es gibt keine Zivis zur Entlastung mehr und weil Patienten auch nach schweren Operationen immer früher entlassen werden, liegen auf den Stationen mehr Schwerkranke. „Teilweise muss ich 15 Patienten alleine versorgen“, schildert Gabriele Gurski ihren Alltag. Sie weiß, dass es anders geht, nicht nur in nordischen Ländern. Sie arbeitet nebenberuflich in einem Hospiz: „Dort sind mir maximal drei Menschen anvertraut.“

Längst fallen im Krankenhaus auch nicht mehr nur fachspezifische Arbeiten an: „Wir müssen Getränke verteilen, übers Nachtschränkchen wischen und mal eben am Sonntag für sechs Neuaufnahmen saubere Betten organisieren“, zählt Christiane Lichte auf.

Bis zur Rente mit 65 bis zum Anschlag zu arbeiten, in drei Schichten, feiertags und am Wochenende – „das schafft man nicht“, sagt Gurski, obwohl sie ihren Beruf liebt, „das ist moderne Sklaventreiberei“. Zumal eine Krankenhauspflegekraft nur 1600 bis 1800 Euro netto verdiene. Doch es gehe gar nicht vorrangig um mehr Geld. Das stehe zwar auch auf der Agenda ihrer Forderungen, doch vor allem fehle – neben der Zeit für mehr Pflege – die Anerkennung in der Gesellschaft. „Dabei geht uns das doch alle an.“

Seit Ende letzten Jahres setzt sich Gabriele Gurski für die Aktion „Pflege am Boden“ ein. „Ich war zufällig in Dortmund und plötzlich lagen wir zu neunt vor der Reinoldikirche.“ Inzwischen sei das berufspolitische Engagement in dem unabhängigen Zusammenschluss ihr Motor, um die Arbeit im Krankenhaus weiterzumachen. Noch sei die „Pflege am Boden“ nur ein stiller Protest. „Doch es zeichnet sich ab, dass wir lauter werden.“ Vielleicht schon im September, wenn alle vor den Düsseldorfer Landtag ziehen.