Die Djaihuns kamen 2001 auf der Flucht aus Afghanistan nach Annen. Längst sind Khatera und ihre Geschwister Deutsche, sie werden aber nicht so behandelt .

Khateras größter Wunsch ist einfach. „Ich hätte so gerne einen deutschen Pass.“ So muss sie froh sein, dass sie, ihre Mutter und wenigstens zwei ihrer vier Geschwister seit drei Jahren zumindest einen afghanischen Ausweis und eine Aufenthaltserlaubnis in der Tasche haben, die sie vor Abschiebung schützt und ihnen Studium und Arbeit ermöglicht. Also alles andere als eine ganz normale Wittener Familie? Eigentlich: nein.

Khatera Djaihun ist eine ganz normale junge Frau in Deutschland mit ihren Wünschen und Erwartungen. Die fröhliche 22-Jährige studiert nach dem Abschluss auf dem Berufskolleg Witten in Düsseldorf Volkswirtschaftslehre, möchte mal im Management arbeiten und träumt von der Selbstständigkeit, vielleicht als Führerin eines eigenen (Juwelier-) Geschäfts – wobei: Nach ihrem jetzigen Status dürfte sie sich nicht selbstständig machen.

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Die Schwester (20) absolviert seit dem Abitur ein freiwilliges soziales Jahr in einer Einrichtung für behinderte Kinder, weil es mit dem Studienplatz auf Anhieb nicht geklappt hat. Die jüngeren Brüder (14 und 18) sind noch auf dem schulischen Weg zur Reifeprüfung, die Mutter Sunia (40) arbeitet. „Sie hat damals gesagt: Ich kann doch hier nicht nur zu Hause rumsitzen!“, erzählt die Tochter. Das Nur-rumsitzen-Dürfen hatte ihren Vater dazu gebracht, 2005 wieder zurück in die südafghanische Heimat zu gehen.

Bald zieht die verbliebene Familie aus der zugigen Altbauwohnung um in eine andere Ecke von Annen, die Kartons sind schon gepackt. „Ich finde Witten richtig schön“, sagt Khatera, „jeder kennt sich, es liegt zentral. Ein bisschen tot.“ So ehrlich gesagt, da können doch nur echte Heimatgefühle dahinterstecken, oder?

Diese Wittener Familiengeschichte wäre natürlich ohne einen Blick zurück in die südafghanische Stadt Takhar. Der Vater, erzählt Khatera, kämpfte als Militärkommandant gegen das mörderische Talibanregime. Das Haus der Familie ging beim Bombenangriff in Flammen auf. Die Brandnarben an ihrem Bein werden Khatera ihr Leben lang daran erinnern.

Der Zufall brachte sie 2001 nach Deutschland und über Berlin und Bielefeld nach Witten. Ohne ein Wort Deutsch zu können und jemals überhaupt in einer Schule gewesen zu sein, landete Khatera in der dritten Klasse. „Ich hatte Super-Lehrer, die sich so eine Mühe gegeben haben.“ Mit Bilderbüchern lernte sie die neue Sprache. „Zuhause sprechen wir eigentlich nur Deutsch“, sagt Khatera.

Der Kulturschock stellte sich ein, als Khatera 2013 mit der Schwester Takhar besuchte, mit ersten Pass ihr erster Auslandsbesuch überhaupt. Verhüllung bei 50 Grad! Nie wieder, sagt Khatera, die gerne Zumba tanzt und „das tut, was jeder hier tut.“ Hier in Witten.

Irgendwann möchte Khatera „ein Buch schreiben über uns selber, wie wir hierhin gekommen sind zum Beispiel.“ Zu wünschen wäre der Wittener Familie Djaihun ein passendes kleines Happy End. Für die deutsche Bürokratie wäre es nur ein Stück amtlich bedrucktes Papier, für Khatera die Erfüllung ihres größten Wunsches.