Witten. . Der erneute Warnstreik im öffentlichen Personennahverkehr hat am Mittwoch (26.3.) zwar erneut für verwaiste Haltestellen gesorgt. Zur Arbeit oder zur Schule kamen die Ruhrstädter trotzdem, die meisten dank Fahrgemeinschaften oder „Taxi Mama“. Am Donnerstag (27.3.) legt Verdi allerdings noch einen drauf.

Die Wittener Nahverkehrskunden bekommen allmählich Streikroutine. Nur ganz wenige warteten am Mittwochmorgen auf den Bus, der eh nicht kam. Auch Kundencenter von Bogestra und Stadtwerken sowie Hallenbäder blieben dicht: Warnstreik, Tag 2, und heute soll es noch ärger kommen.

Aber bleiben wir noch mal beim Mittwochmorgen. Die erneute Arbeitsniederlegung von Bus- und Straßenbahnfahrern trieb auch so manche kuriose Blüte. Denn: Es streikten zwar fast alle in Witten, weil die Bogestra den Markt bestimmt. Aber wie gesagt: Es waren nur fast alle. Aber weil sich die Kunden auf den totalen Stillstand eingerichtet hatten, blieb selbst in den wenigen Bussen, die rollten, die meisten Plätze leer, etwa im SB 38, dem Schnellbus von Hattingen über Witten nach Ennepetal. Der wird vom Busverkehr Rheinland gesteuert und hier hat die Deutsche Bahn die Hände im Spiel - die bekanntlich nicht im Ausstand ist. Folge: Dieser Bus fuhr pünktlich auf die Minute.

Schnellbus kommt pünktlich

„Wir streiken schon seit 20 Jahren nicht. Mein Lohn stimmt“, sagt der Fahrer, der an diesem Morgen besonders entspannt wirkt. Nur die Heizung, die hätte er höher drehen können. Dachte wohl, das lohnt eh nicht für die paar Fahrgäste. Von Hattingen nach Witten saßen genau zwei im Bus. Ansonsten: Stillstand. Nur der 592 fuhr noch nach Wetter, ebenfalls im Auftrag der Bahn.

Entsprechend leer war es am ZOB und an den anderen Haltestellen. Nur eine Frau mit Hund wartet am Busbahnhof auf den 320er. „Ach, du armes Ei“, ruft sie, als sie an den Streik erinnert wird. „Jetzt kriegst du nichts zu fressen“, sagt sie zu „Teddy“, einer Mischung aus Wolfspitz und Collie. Die gute Frau wollte bei Trinkgut am Toom-Baumarkt Futter besorgen.

Mit dem Porsche zur Schule

Berufspendler und Schüler ohne eigenen Wagen hatten andere Sorgen, wenn sie morgens pünktlich sein wollten. An der Rathaushaltestelle wartet eine Frau auf ihre Mitfahrgelegenheit nach Rüdinghausen. Ob sie Verständnis für den erneuten Warnstreik habe? Ja und nein. „Die wollen mehr Geld, das hätte ich auch gern.“ Ein Porsche-Cabrio hält neben ihr, das Dach geschlossen. Denn es ist sonnig, aber richtig kalt an diesem frühen Märzmorgen. Ein Junge steigt aus und eilt fröhlich Richtung Schiller-Gymnasium.

Ein junger Mann tippt auf seinem Smartphone herum, er wartet auf den Bus nach Langendreer. „Es wird gestreikt?“ fragt er ahnungslos. „Dann muss ich wohl die S-Bahn nehmen.“ Wieder stoppt ein Auto an der zentralen Rathaus-Haltestelle. Anneliese Lökenloff lässt ihre Tochter Celina aussteigen. Die 13-Jährige eilt zum Schiller-Gymnasium. „Morgens ist es für mich kein Problem, sie zur Schule zu bringen, ich arbeite ja in der Innenstadt“, sagt die Wittenerin. „Nachmittags aber schon.“ Deshalb sprechen sich die Eltern ab, wer wessen Kinder zur Schule fährt oder wieder abholt. „Und morgen ist Girls Day“, erklärt Anneliese Lökenloff, „da muss meine Tochter zur Ruhr-Uni in Bochum.“

Verständnis für Forderung nach mehr Geld

Eileen Koch und Joshua Michalak gehen im Oberdorf die restlichen Meter zum Albert-Martmöller-Gymnasium zu Fuß, die Straßen sind voller Elternautos. Die Mutter der 16-Jährigen hat die beiden gefahren. „Unsere Eltern sind befreundet“, erklärt sie. Und wie findet ihr den Streik? „Die Leute wollen mehr Geld. Dafür habe ich Verständnis“, sagt der 15-Jährige.

Auch Nicole Lohrmann bringt ihre 14-jährige Tochter Jasmin zum Martmöller-Gymnasium. „Wenn die Leute im Öffentlichen Dienst streiken, ist das immer schlecht“, findet sie. „Zum Glück habe ich heute und morgen frei.“ Sie muss wegen der Arbeitsniederlegung morgens sogar zweimal fahren. Denn Tochter Joleen, 16, hat an der Holzkamp-Gesamtschule die ersten beiden Stunden frei.

Straßen sind voller als sonst

Der zwölfjährige Emir Gökhan findet den Streik „doof“, auch wenn Mama Gülan ihn mit Auto zur Schule bringt. Nur mühsam käme man mit dem Wagen durch die Stadt, sagt die Mama, die Straßen seien voller als sonst. Sie zeigt aber Verständnis für die Arbeitsniederlegung: „Es wird ja alles teurer, immer mehr leben an der finanziellen Grenze“, so die Bommeranerin. „Wenn man sich etwa gesund ernähren will, ist das sehr teuer“, betont sie.

In der Berliner Straße leert Bahattin Deniz die Abfallbehälter, Leo Sali fährt den Transporter. „Von uns arbeiten heute 15 von 35 Leuten“, sagt Deniz, „morgen fehlen aber noch viel mehr.“ Und zwar alle, die in der Gewerkschaft sind. „Dass ich nicht drin bin, verstehe ich selbst nicht“, ärgert er sich nach 14 Arbeitsjahren. „Nächsten Monat trete ich ein“, kündigt er an.

Notgruppen am Donnerstag in einigen Kitas

Fast allein steht Gabi Düser am Zentralen Omnibus-Bahnhof. „Ich bin extra früher losgefahren“, lächelt die Unnaerin. Die Züge der Deutschen Bahn werden nicht bestreikt, aber ihr Bus nach Bommern ist schon sechs Minuten überfällig. In einer halben Stunde fährt noch einer in die gewünschte Richtung, „der wird privat betrieben, der fährt bestimmt“, hofft Gabi Düser in der Kälte. Ihre Kolleginnen im Büro wüssten aber Bescheid, dass sie vielleicht später kommt.

In der Städtischen Kindertageseinrichtung Luisenstraße bleibt alles beim alten: „Heute wird nicht in den Kitas gestreikt“, erklärt gestern die Leiterin Uta Brinkmann. Und am heutigen Donnerstag werden auch keine Probleme in der Einrichtung erwartet, da niemand gewerkschaftlich organisiert sei, so die Erzieherin. Andere Kitas, in Durchholz, Stockum und an der Bachschule, haben Notgruppen für heute angekündigt.