Witten. . Oberflächlichen Genusssucht, Eitelkeit und Dekadenz - darum geht es in dem Theaterstück „Der große Gatsby“. Gleich zweimal wurde das Stück über eine Gesellschaft vor dem Untergang jetzt im Saalbau aufgeführt.
Ein Damoklesschwert schwebt über den jungen Leuten. Als es die genusstrunkene Gesellschaft der Nachkriegsgeneration dann wirklich trifft, erwischt es ausgerechnet den moralisch Unverdorbensten unter ihnen, den „großen Gatsby“.
Mit dem gleichnamigen Stück von Scott Fitzgerald gastierten die Theatergastspiele Kempf gleich zweimal im Saalbau. Bei den Vorstellungen am Mittwoch- und Donnerstagabend inszeniert Silvia Armbruster die materialistische Welt der „Goldenen Zwanziger“ im Begriff des Untergangs.
Schuld daran ist die Unfähigkeit der Oberschicht zur echten Liebe, die ihren Ausdruck in ihrer oberflächlichen Genusssucht, Eitelkeit und Dekadenz findet. Einzig der Protagonist, der dann auch nicht eigentlich aus reichen Verhältnissen stammt, ist in der Lage wirklich zu empfinden und für seine Liebe zu kämpfen und zu opfern. Seine Angebetete erwidert zwar seine Gefühle. Wirklich tief aber fühlt Daisy nicht. Sie hat nicht nur einen Anderen, den brutalen und untreuen Tom Buchanan, aus rationalen Gründen geheiratet, sondern erscheint Jahre später nicht zu Gatsbys Beerdigung. Obwohl sie zuvor ein Verhältnis mit ihm hatte und seinen Tod indirekt mit verschuldet.
Parallelen zur heutigen Spaßgesellschaft
Das Kempfer Schauspielensemble mimt die oberflächliche Gesellschaft durchweg überzeugend. Vor allem Stephanie Marin gefällt als dümmliche, genusssüchtige Geliebte von Daisys Mann. Trotz des gelungenen Spiels ist es für den Zuschauer schwierig, den Zugang zur Geschichte zu finden. Ihr Mitgefühl kann kaum durch die bewusst auf Distanz bleibende Figur des Gatsbys (Hans Piesbergen) hervorgerufen werden. Leider versäumt es die Inszenierung, Anknüpfungspunkte an das Heute zu finden und darüber Identifikation zu schaffen. So erscheint die Geschichte eher als hohles Fragment der Vergangenheit. Dabei drängen sich Parallelen zu unserer heutigen Spaßgesellschaft eigentlich geradezu auf.
Szenisch gibt es in dem Stück viele sehr gelungene Kniffe. Der kleine grüne Teppichläufer wird stellvertretend für den Rasen in Gatsbys Garten ausgerollt und die Darsteller fahren mit einem Lenkrad auf dem Schoß und einem dem Motor stimmlich nachempfundenen „Ananaaaan“ Auto. So werden schwierig dazustellende Situationen auf äußerst geschickte und kreative Weise gelöst.
Sehr schön ist auch die Sterbeszene Gatsbys inszeniert: Der Zuschauer sieht ihn nur als Schatten vor dem Meer, in das er offenbar blanken Oberkörpers springen will. Dann Tom, der den Zuschauern zugewendet, zielt. Ein Schuss fällt, der Schatten sinkt in sich zusammen. Eine sehr ausdrucksolle Szene. Schade dass das Stück den Zuschauer nicht über ein bisschen Händeschütteln hinaus mit in das Geschehen einbezieht.