Witten. . Es sei Christenpflicht, verfolgten Menschen zu helfen, sagte Pfarrerin Heike Ernsting in einem Gottesdienst, der Flüchtlingen gewidmet war. Sie kritisierte die Asylpraxis in Deutschland. „Asylrecht und Menschenrecht klaffen auseinander.“ Auch ergreifende Schicksale wurden geschildert.
Lampedusa, Syrien und demnächst vielleicht die Ukraine? Den Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland haben am Sonntag Pfarrerin Heike Ernsting und andere Mitwirkenden eines Flüchtlingsgottesdienstes in der Johanniskirche kritisiert.
Als zahlreiche Flüchtlinge vor Lampedusa im Meer ertranken, entstand im Presbyterium der Gedanke, diese Katastrophe in einem Gottesdienst aufzugreifen. Gestern nun war es so weit. Die Gemeindejugend zeigte drei Szenen aus dem Alltag von Asylbewerbern, im Supermarkt, beim Rechtsanwalt, auf der Straße. Aus Bochum kam der syrisch-kurdische Künstler Ahmad Saoud mit seiner Familie. Er stellte Gemälde sowie Skulpturen aus, die den seit nunmehr drei Jahren andauernden Krieg in Syrien und die humanitäre Katastrophe darstellen. Erschütternd etwa das Bild eines junge Mädchen vor einem zerstörten Haus oder eine Skulptur, die nur ein Gesicht mit einem weit aufgerissenen Mund zeigt: „Der Schrei“ nannte sie der Künstler. Die Werke sind noch zwei Wochen zu sehen.
Flüchtlinge haben nichts mehr
Michael Raddatz-Heinrichs von der Caritas-Flüchtlingshilfe erzählte aus seinem Arbeitsalltag mit Asylsuchenden.Wenn sie in Deutschland eintreffen, hätten sie oft nichts mehr, manche nicht mal einen Ausweis.Diakonisse Barbara Kruse berichtete von einer Frau namens Susanna, deren Mann durch die Not in der Heimat krank wurde. Beide seien deshalb mit einem Kind nach Deutschland geflüchtet. Die Familie konnte es sich nicht leisten, auch die Älteste mitzunehmen, sie musste bei Verwandten bleiben. Nun leben sie hier, so Barbara Kruse, dürfen nicht arbeiten und vermissen ihre Tochter. Die Familie habe so wenig Geld, dass nur ein Zimmer ihrer Wohnung möbliert sei. Sie sehe einer ungewissen Zukunft entgegen.
In ihrer Predigt griff Pfarrerin Heike Ernsting ein Jesus-Zitat auf: „Ich bin ein Fremder gewesen. Ihr habt mich aufgenommen.“ Sie betonte: „Asylrecht und Menschenrecht klaffen auseinander, das wird besonders deutlich.“ Bedürftigen zu helfen, sei Christenpflicht.
Hilfe für die Familie von Susanna
Zwischen den Wortbeiträgen spielte die Band „CapitoSi“ in der halbvollen Kirche. Die Organistoren hoffen auf eine gewisse Nachhaltigkeit dieses Gottesdienstes. Schon in der Vorbereitung habe sich durch das Thema eine große Dynamik entwickelt. „Vielleicht entsteht daraus auch etwas für die Familie von Susanna“, sagt Heike Ernsting. Michael Raddatz-Heinrichs nennt beim anschließenden Empfang noch Zahlen: Unter den Wittenern lebten gerade einmal 0,7 Prozent Flüchtlinge - 600 von 45 Millionen weltweit. Richtig anerkannt werde nur ein Prozent aller Asylsuchenden.