Witten. . Mit einer Armutsquote über alle Altersgruppen von 9,4 Prozent liegt der Kreis unter dem nordrhein-westfälischen Landesdurchschnitt von 10,5 Prozent und über dem Bundesdurchschnitt von 8,8 Prozent

2511 Kinder in Witten gelten als bedürftig. Damit nimmt die Ruhrstadt im neuen Armutsbericht des EN-Kreis eine traurige Spitzenposition ein.

Viele Betroffene sind auf Angebote wie den Gratis- Mittagstisch der Ruhrtal-Engel angewiesen. „Manche Kinder, die nach der Schule zu uns kommen, sind so hungrig, dass sie gar nicht bis 13 Uhr warten können und ihren Magen mit einer Banane beruhigen müssen“, so Vorsitzender Hans-Peter Skotarzik.

Emotionale Armut

Nicht alle Gäste kämen aus so genannten armen Familien, die weniger als 2058 Euro pro Monat zur Verfügung haben (Armutsgrenze für Eltern mit zwei Kindern, mit einem Kind sind es 1766, für Alleinstehende 981 Euro). Manche seien auch „emotional verarmt“, sagt Skotarzik. „Zu uns kommen Achtjährige, die bis abends allein sind, weil die Eltern arbeiten müssen.“ Der Verein versuche, diese fehlenden Familienstrukturen durch Gespräche aufzufangen. Ganz schlimm treffe es solche, die von finanzieller und emotionaler Armut betroffen seien.

„Wir haben vor kurzem ein Frühstück für Kinder der Erlenschule und Berufsschüler organisiert“, erinnert sich Skotarzik. Auf dem Tisch standen Getränke, Körnerbrötchen, Rührei und Cornflakes. „Eigentlich nichts Besonderes. Aber danach haben uns Kinder gesagt, so ein tolles Frühstück hätten sie noch nie gehabt. Das ist traurig.“

Über alle Altersgruppen hinweg liegt der Kreis mit einer Armutsquote von 9,4 Prozent (30 783 Menschen) gut einen Prozentpunkt unter dem NRW-Schnitt, Witten mit 11,6 Prozent (11 302) darüber. Bei der Kinderbedürftigkeit (16,1) schneidet der Kreis besser ab als das Land (17,9) – aber schlechter als der Bund (14,9).

Jeder vierte Bundesbürger ist von Armut betroffen oder muss durch staatliche Leistungen vor Armut bewahrt werden. Das geht aus dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hervor Foto: dpa

Die Unterschiede zwischen den EN-Städten sind groß: Während in Witten, Gevelsberg und Schwelm etwa jedes fünfte Kind bedürftig ist (Witten hat mit 21 Prozent die höchste Quote), ist in Breckerfeld und Sprockhövel nur jedes 15. bzw. zwölfte Kind unter 15 Jahren betroffen.

„Wir sind gefordert, uns mit dem Thema Armut zu beschäftigen“, bilanziert Kreisgesundheitsamtsleiter Dr. Hans-Joachim Boschek. Denn der Anteil der Menschen, die nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen könnten, also für sich und ihre Kinder weder Hobbys noch Urlaub finanzieren könnten, liege noch höher – alle, deren Einkommen nur knapp über der Armutsgrenze lägen, fielen aus der Statistik.

Dass die Not gewachsen ist, sehen auch die Mitarbeiter des Wittener Kinderschutzbundes jeden Tag. Die Familien bräuchten alles – von Babykleidung bis Spielzeug, die für kleines Geld weitergegeben würden, so die ehrenamtliche Kleiderkammer-Mitarbeiterin Gisela Heidemann. „Vielen merkt man an, wie sehr sie sich über die Sachen freuen.“