Witten. . Wenn die Sirenen heulten, suchte der damals vierjährige Friedrich W. Frahne mit seiner sechsjährigen Schwester und der Mutter Schutz in Herbeder Bunker. Auch an das Inferno über Witten erinnert er sich.

Den schlimmsten Treffer aus der Luft erlebte Herbede 1943. Es war keine herkömmliche Bombe, sondern eine Luftmine, die auf die Hauptstraße/Königsstraße, heute Meesmannstraße/Ecke Werica­straße fiel und dort mindestens vier Häuser total zerstörte. Acht Menschen kamen dabei zu Tode. Zudem ist überliefert, dass zwei dicke Kaltblüter-Pferde ihr Leben lassen mussten.

Der Herbeder Friedrich W. Frahne, Jahrgang ‘41, wohnt zwar heute in der Wericastraße, weiß von diesem Luftschlag selbstredend nur aus Erzählungen. Aber die anhaltende Bombardierung Wittens im letzten Kriegsjahr 1945 blieb ihm bis heute im Gedächtnis haften.

Auch der Großangriff vom 19. März ‘45, der die nördliche Innenstadt vernichtete: „Ich erinnere mich an einen Himmel über Witten, der so rot war, rot von Feuer, von Bränden durch Bomben, denn die ganze Wittener Innenstadt brannte. Es war kein Abendrot, es war ein Inferno, eine Hölle, die aus der Luft auf die Menschen fiel.“

Als Vierjähriger erlebte Frahne die Luftangriffe auf Witten „aus sicheren fünf Kilometern Entfernung“ – wie man heute weiß. Der Vater arbeitete unter Tage, in 800 Metern Tiefe, als Hauer im Bergwerk der Zeche Holland in Herbede. Die Familie lebte in der Zechensiedlung direkt gegenüber, die nur aus fünf Doppelhäusern bestand.

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Wie sicher man dort war, konnte damals aber keiner wissen. Auch in Herbede heulten immer wieder die Sirenen. Fast jedes öffentliche Gebäude, so nach Frahnes Erinnerung auch das Herbeder Rathaus und die vier Herbeder Grundschulen, hatten eine auf dem Dach. „Das war vorbildlich organisiert und funktionierte auch bestens. Die Menschen waren darauf so dressiert, dass sie sofort losrannten und den für sie zuständigen Schutzbunker aufsuchten.“ Die Bunker und Schutzräume für die Bevölkerung hatten Herbeder Bergleute selbst ausgebaut. Und sie setzten sie auch nach Beschädigungen immer wieder in Stand, berichtet Frahne – „neben den Doppelschichten, die alle Bergleute damals arbeiten mussten“.

Der nächstgelegene Schutzbunker für die Frahnes befand sich am Ende der Siedlung in einem Berg. „Die gut dreihundert Meter rannten wir jedes Mal um unser Leben, wenn uns das inzwischen bekannte Heulen der Sirenen dazu aufforderte.“ Als Friedrich und seine sechsjährige Schwester Gisela mit ihrer Mutter den Bunker endlich erreicht hatten, durften die Kinder nicht auf den Holzbänken sitzen. „Das durften nur die Erwachsenen. So verkrochen wir uns still unter den Bänken. Die große Angst war jedem ins Gesicht geschrieben.“

Die Mutter strickte im Bunker

Auch der Hunger plagte die Menschen im Bunker. „Einige Erwachsene hatten etwas zu essen dabei, andere und wir natürlich nicht.“ Die Schwester durfte nur ihre Puppe mitnehmen, der Vierjährige nur seinen schwarzen Stoffhund. Die Mutter hatte manchmal ihr Strickzeug dabei. „Sie strickte ständig irgendwelche Socken und Leibchen für mich. Wenn plötzlich das Licht im Bunker ausging, wurden Kerzen angesteckt. Doch unsere Mutter strickte auch dann im gespenstischen Halbdunkeln und gefühlt jetzt noch schneller weiter.“

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Die eigene Familie blieb verschont vom Tod aus der Luft. Doch den Bombenregen über Witten bekam der kleine Friedrich als schauerliches Schauspiel am Himmel mit. „Unzählige Bomben, Granaten und diese gefürchteten Brandbomben fielen pausenlos auf die Stadt hinab. Bis heute, inzwischen siebzig Jahre danach, denke ich zu Silvester, wenn das Feuerwerk ein neues Jahr begrüßt, für eine kurze Zeit daran zurück.“