Witten. . Erste Erfahrungen mit dem neuen Schulmodell sowie Sorgen und Ängste berichteten Lehrer, Eltern und Schüler bei der WAZ-Aktion „Rollende Redaktion“. Einige sagen, es müsse geänderte Rahmenbedingungen geben, damit das Modell funktionieren könne. Insgesamt ein „deutliches Jein“.
Inklusion? Ja, aber: Auf diese Formel lässt die Diskussion um gemeinsamen Unterricht bringen, zu der die „Rollende Redaktion“ geladen hatte. Lehrer, Eltern und Schüler berichteten im Innenhof der Helene-Lohmann-Schule von ersten Erfahrungen mit dem neuen neuen Schulmodell, aber auch von Sorgen und Ängsten.
Ada Demetrescu ist eine von denen, die bereits Erfahrungen mit Inklusion gesammelt hat: Sie leitet die Inklusions-Klasse, die in diesem Schuljahr in der Lohmann-Realschule eingerichtet wurde. Sie berichtet von ersten Erfolgen in der Klasse, von Unterricht in zwei Geschwindigkeiten. Aber sie ist skeptisch, wie lange dies für die Lehrer machbar ist: „Ich sehe da klar eine Grenze, vielleicht geht es bis Klasse sechs, aber dann . . .“ Nur mit geänderten Rahmenbedingungen sei Inklusion wirklich machbar.
„Ein klares Jein“ kommt aus den gleichen Gründen auch von Undine Gilsebach, die zum Leitungsteam der integrativen Lerngruppe am Schiller-Gymnasium gehört. Das Experiment laufe gut, aber auch nur, weil sie dort noch in einer sehr privilegierten Situation seien: eine kleine Lerngruppe, dazu Doppelbesetzung mit Sozialpädagogen. „Die sind ganz anders ausgebildet als wir – das können wir so gar nicht leisten.“
Probleme eher bei Kids mit Verhaltensauffälligkeiten
Ja, aber – sagen auch die Elternvertreter: Natürlich treibe die Eltern von leistungsstarken Schülern auch die Frage um, ob ihr Kind im gemeinsamen Unterricht vielleicht auf der Strecke bleibe, berichtet die Schulpflegschaftsvorsitzende Melanie Maurer in der engagierten Runde, die von Redakteur Johannes Kopps geleitet wurde. Eine Sorge, die Bärbel Faustmann, die Rektorin der Lohmann-Realschule, entkräftet: „Es hat sich im Gegenteil gezeigt, dass die zusätzlichen Erklärungen für alle Schüler ausgesprochen hilfreich sind.“
Überhaupt: Probleme im Miteinander bereiteten gar nicht die Kinder mit Lernschwierigkeiten, sondern viel mehr die Verhaltensauffälligen, berichtet Faustmann. Eine Beobachtung, die auch Daniela Dorgau von der Lebenshilfe gemacht hat. „Da muss man schauen, ob für die nicht doch der Schutzraum einer Förderschule sinnvoller sein kann.“
Konflikte vorrangig zu Unterricht
Schiller-Gymnasium künftig nicht mehr dabei
Jetzt wurde auch bekannt, welche Schulen künftig Schwerpunktschulen für Inklusion werden sollen.
In der Sekundarstufe sind es die Helene-Lohmann-Realschule, die Freiligrathschule als Hauptschule und die beiden Gesamtschulen – Hardenstein und Holzkamp. Das Schiller-Gymnasium ist künftig dann nicht mehr dabei.
Genau hinschauen, welche Schulform geeignet ist, damit das Kind nicht untergeht: Diesem Statement konnte sich Michaela Lohrmann sich nur anschließen. Nur Kinder mit genügend Selbstbewusstsein seien für den gemeinsamen Unterricht geeignet, „Kinder, die mit Stress umgehen können“, so die Rektorin der Pestalozzi-Schule. „Wir nehmen uns immer die Zeit Probleme zu klären“, so Lohrmann. Konflikte hätten Vorrang vor Unterricht. Das sei an anderen Schulformen gar nicht machbar, führe aber oft zum Erfolg.
Ihr Beispiel: Jean-Paul, der Schüler, der wegen Verhaltensauffälligkeiten schon fast durchs Raster gefallen war und jetzt auf der Pestalozzi-Schule wieder Fuß gefasst hat: „Für mich ist es da viel besser als auf einer normalen Schule“, erzählte der Neuntklässler, der inzwischen sogar im Kinder- und Jugendparlament der Stadt arbeitet, bereitwillig. Die kleinen Klassen, die offenen Ohren der Lehrer: „Wäre ich nicht da hingekommen, dann wäre ich jetzt kriminell.“
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